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Pfarrer Mathias Bonhoeffer im Kreuzgang der Kartäuserkirche in Köln

Bonhoeffer liest Bonhoeffer – Gedanken, die immer aktuell bleiben – zum 75. Todestag von Dietrich Bonhoeffer

Zum 75. Mal jährt sich an diesem Gründonnerstag der Todestag Dietrich Bonhoeffers, der 1945 im Konzentrationslager Flossenbürg hingerichtet wurde. Im Gedenken an den evangelischen Pfarrer und Widerstandskämpfer gegen das Nazi-Regime liest sein Großneffe, Mathias Bonhoeffer, selbst auch Pfarrer, der in der Evangelischen Gemeinde Köln an der Kartäuserkirche wirkt, nun Texte seines berühmten Großonkels.

Der Abend des Gründonnerstags hat eine besondere Bedeutung. Es waren die Stunden des letzten Abendmahls Jesu mit seinen Jüngern, eine Zeit, in der Christus die Kraft fand, um seinen letzten Weg zu gehen. Dieser Momente wurde in der Kölner Lutherkirche schon lange auf Anregung von Pfarrer Mathias Bonhoeffer mit einem Mahlgottesdienst gedacht. In diesem Jahr hat die Corona-Pandemie die Planungen für eine solche gemeinsame Feier außer Kraft gesetzt.

Daher liest Pfarrer Mathias Bonhoeffer die Texte aus der Feder von Dietrich Bonhoeffer nicht in der Lutherkirche, sondern im Kreuzgang der Kölner Kartäuserkirche. Kantor Thomas Frerichs und Bettina Scheibler untermalen die Zeilen des Theologen, die der Pfarrer schon vor der Corona-Krise ausgesucht hatte, unter anderem mit Auszügen aus der Bach’schen Matthäuspassion aus dem Kapitelsaal der Kartäuserkirche heraus.

Es ist ein fast meditatives Gedenken an den 75. Todestag Dietrich Bonhoeffers. Bonhoeffer verfasste Ende 1942 unter dem Titel „Nach zehn Jahren“ einen nachdenklichen und selbstkritischen Rechenschaftsbericht, der, wie Pfarrer Mathias Bonhoeffer betont, niemals an Gültigkeit verloren hat: „Ich kenne diesen Text, den ich hier in Auszügen lese, schon sehr lange. Er ist stets auf das Menschsein anwendbar gewesen. Er bleibt in seinen Betrachtungen immer relevant.“

Allerdings habe einer der ersten Absätze, betitelt „Ohne Boden unter den Füßen“, gerade jetzt eine sehr aktuelle Dimension erhalten, sagt der Kölner Pfarrer. Denn darin spricht Dietrich Bonhoeffer davon, dass der Menschheit der Boden unter den Füßen fehlt, da die Gegenwart unerträglich und sinnlos scheint, fragt aber gleichzeitig, ob es je Menschen gegeben habe, die „das Gelingen ihrer Sache so zuversichtlich und ruhig erwarten konnten wie wir.“ Dietrich Bonhoeffer spricht weiter davon, in der Bindung an Gott standhalten zu können, davon, dass im Glauben an einen zugewandten Gott die Angst vor der Zukunft überwunden werden kann und davon, dass Vertrauen eines der beglückendsten Geschenke des menschlichen Zusammenlebens ist.

Sicherlich ist auch dieser Gedanke Dietrich Bonhoeffers auf die aktuelle Zeit, auf das diesjährige Osterfest, anwendbar: „Uns bleibt nur der sehr schmale und manchmal kaum noch zu findende Weg, jeden Tag zu nehmen, als wäre er der letzte, und doch in Glauben und Verantwortung so zu leben, als gäbe es noch eine große Zukunft.“

Doch eine umfassende Interpretation der Texte seines Großonkels möchte Pfarrer Mathias Bonhoeffer letztlich nicht geben. „Das überlasse ich den Menschen, die mir zuhören. Sie dürfen gerne ihren ganz eigenen Weg finden, sich mit dem Gehörten auseinanderzusetzen.“ Denn der Pfarrer ist überzeugt: „Die Bilder und Texte sprechen eine klare Sprache.“

Auch diese besondere Art der Einstimmung auf den Karfreitag und das Ostergeschehen endet, ebenso wie die Gottesdienste der Vergangenheit in der Lutherkirche, ohne Segen – zunächst also, wie Pfarrer Mathias Bonhoeffer betont: „Ohne jegliche Hoffnung.“ Denn die erneuere sich erst dann, wenn Ostern sich vollende.

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Text: Katja Pohl
Foto(s): APK