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Bist du Jud‘ oder Christ? Veranstaltung zum Kirchentag in der Kreuzkapelle Köln-Riehl

Anlässlich des Deutschen Evangelischen Kirchentag 2007 widmet sich die Arbeitsgruppe „Zwischen den Stühlen“ in einem Werkstattgespräch und mit einem Stand beim Markt der Möglichkeiten einer bisher weitgehend unbeachteten Problematik: jenen Menschen, die aufgrund ihrer teiljüdischen Herkunft mit ihren Familien bereits vor 1933, vor allem aber während des Nationalsozialismus verfolgt wurden. Und jenen, die heute, wissentlich oder unwissentlich, eine jüdische oder teiljüdische Herkunft haben.

„Über Vaterjuden, jüdische Mischlinge, christliche Nichtarier in der NS-Zeit
und danach“, heißt die Veranstaltung im Untertitel, eingeladen wird am Freitag, 8. Juni, von 10.30 bis 13.30 Uhr in die Kreuzkapelle Köln-Riehl, Stammheimerstraße 22. Veranstalter ist der „halbe Stern“. Dieser Verein setzt sich für jene Menschen ein, die aufgrund ihrer jüdischen oder teiljüdischen Herkunft vom anti-semitischen Rassenwahn verfolgt wurden. Die Erinnerung des Gesprächsortes „Kreuzkapelle Köln-Riehl“ kann beispielhaft zeigen, was unter anderem gemeint ist: Dass dieser Ort einer „Bekennenden Kirche“ in die fatale Tradition christlicher Judenmission verstrickt war, wie die Veranstalter meinen, wohl helfend gemeint, aber auf die Vernichtung des Judentums hinauslaufend.

Die Bandbreite des Themas wird auch an der Zusammenstellung derer deutlich, die sich in der Arbeitsgruppe „Zwischen den Stühlen“ engagieren: Eine evangelische Theologin, eine betroffene Zeitzeugin, zwei Doktorandinnen und ein Psychologe bereiten Werkstattgespräch und Stand vor. Das sind unter anderem:

Annette Kuhn, Historikerin
Annette Kuhn, geb. 1934 in Berlin-Dahlem, ihre Mutter – geb. Levi – nannte sich Lanke, verh. Kuhn. Als Kind vor den Nazis von bis heute unbekannten Berliner Frauen gerettet, wuchs sie als Jugendliche in den USA auf und kehrte 1948 mit ihren Eltern in die amerikanische Zone des zerstörten Deutschland zurück. Die Suche nach der Wahrheit über die eigene Herkunft führte sie – seit Anfang der sechziger Jahre eine promovierte Historikerin und Professorin der Geschichte und ihrer Didaktik – in die historischen Archive und in die Archive des menschlichen Gedächtnisses, stets die alte und dennoch immer wieder neue Frage nach der Identität im individuellen und im kollektiven Lern- und Bildungsprozesse umkreisend. In allen ihren Veröffentlichungen wollte sie mehr über die merkwürdigen Mischformen und über die verworrenen Tauschverhältnisse wissen, die sie als Frau, als Person und als Jüdin mit deutschem Pass prägen. Seit ihrer Emeritierung an der Universität Bonn widmet sie sich als Vorsitzende des Vereins: Haus der FrauenGeschichte e.V. vor allem der frauen- und geschlechtergeschichtlichen Forschung.

Brigitte Gensch, Theologin
Brigitte Gensch, geb. 1958, Studium der Philosophie, Judaistik und ev. Theologie, arbeitet nach Jahren des kirchlichen Dienstes verantwortlich für „den halben Stern“.

Ulrich Weichbrodt, Psychologe
Ulrich Weichbrodt wurde 1950 in Hagen-Hohenlimburg geboren. Er studierte in Bonn Germanistik, Philosophie und Psychologie und erwarb die Lehrbefähigung für das Gymnasium, das Diplom in Psychologie und die Approbation als Psychologischer Psychotherapeut. Seine Vorfahren väterlicherseits, sämtlich Protestanten, wurden in der Zeit des Nationalsozialismus wegen einer jüdischen Mutter, bzw. Großmutter, in Danzig, heute Gdansk, als „Jüdische Mischlinge 1. und 2. Grades“ und als „Jüdisch Versippte“ diskriminiert und enteignet („arisiert“). Weichbrodts Interesse gilt der Erforschung archivarischer Quellen teiljüdischer Herkunft. Er ist überzeugt, dass heutige Betroffene die Gelegenheit erhalten sollen, ihren jüdischen Vorfahren in Familie, Kirche und Öffentlichkeit ein Andenken zurückzugeben, das oftmals über Generationen unterdrückt werden musste.

Anmeldung erwünscht:
Brigitte Gensch, Email: B.Gensch@suesske.de Telefon: 0221/55 00 838

Text: Gensch
Foto(s): Der halbe Stern