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Bestatter Christoph Kuckelkorn hält Stadtpredigt in der Antoniterkirche in Köln

Stadtpredigt-Reihe mit leicht verändertem Konzept
Seit 2005 haben innerhalb der Stadtpredigt-Reihe an der Antoniterkirche acht prominente Kölnerinnen und Kölner mit „sehr komplexen und interessanten Antworten“ zum Thema „Was hält eine Gesellschaft/Köln zusammen?“ Stellung genommen. Mit dem Weißen Sonntag setzt sich die Reihe in einer „etwas überarbeiteten“ Form fort. Aufgrund der Erfahrung auch mit den vergangenen Predigten und deren Auswertung hat das Kuratorium der AntoniterCityKirche ein verändertes Konzept beschlossen. „Es gibt künftig theologische Quartalsthemen, die durch das Kirchenjahr vorgegeben werden“, erläutert Pfarrer Dr. Bertold Höcker die Profilschärfung. Aber nicht nur die Stadtpredigten, sondern alle Veranstaltungen der AntoniterCitykirche sollen sich auf diese wechselnden, an den liturgischen Festen orientierten Leitthemen beziehen. Im laufenden Quartal heißt das Thema natürlich „Auferstehung“, im 3. Quartal „Geist“ und im 4., am Ende des Kirchenjahres, „Die letzten Dinge“. „Die Stadtpredigten bilden jeweils die Höhepunkte, alle anderen, begleitenden Veranstaltungen ordnen sich zu“, so Annette Scholl, verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit. Seien es die bewährten Stadtführungen oder Musikangebote, seien es Lesungen, Ausstellungen oder Kooperationen mit dem Weltladen.

Bei der Auswahl der Stadtprediger hat sich wenig geändert. Es sei nach wie vor ein langwieriger Suchprozess, meint Höcker. „Die Kuriatorumsmitglieder überlegen, wer zu dem Leitthema etwas sagen könnte und eine gewisse Prominenz in der Stadt besitzt. Wir fragen uns, welche Erfahrungen bei den potentiellen Predigerinnen und Predigern vorhanden sind, wie sie unsere Reihe bereichern können.“ Bislang hätten alle angefragten Personen die Einladung angenommen, freut sich der Pfarrer über die nicht selbstverständliche Bereitschaft und Offenheit. „Dabei ergeben sich oft schon bei den ersten Kontakten hoch interessante theologische Gespräche.“

Als ein neues Merkmal der Stadtpredigten „bringen die Predigerinnen und Prediger ein Projekt mit“. Das heißt, sie stellen im Gottesdienst ein soziales Projekt vor, das sie in ihrer jeweiligen Funktion unterstützen und für das sie um Spenden bitten. Zudem kann es begleitende (Vor)Veranstaltungen geben, in denen diese Projekte präsentiert werden.

Predigt von Bestatter Christoph Kuckelkorn
Als ersten Prediger nach Überarbeitung des Konzepts begrüßte Höcker am Sonntag nach Ostern Christoph Kuckelkorn. Aber nicht, wie der Pfarrer bemerkte, in seiner Eigenschaft als Vizepäsident des Festkomitees Kölner Karneval und Leiter des Rosenmontagszuges. Vielmehr in seiner Profession als Bestatter und Thanatopraktiker (Thanatopraxie: Einbalsamierung von Verstorbenen, auch mit Hilfe maskenbildnerischer Techniken). Kuckelkorn predigte zum Bibeltext vom ungläubigen Thomas (Joh. Kap. 20, 19-29) über Tod und Auferstehung. Er redete über den Wert des – im Wortsinn – Begreifenkönnens von Tod und Verstorbenen, über den angemessenen Umgang mit ihnen und mit den Angehörigen. Den Einstieg ins Thema suchte er naheliegend über seinen Beruf. Er beschrieb einen Alltag, in dem „es nicht wirklich Alltag zu geben scheint“. Dieser habe große Auswirkungen auf sein Privat-, sein Familieleben. Routine kehre nie ein. „Wir haben ständig mit Überraschungen zu tun. Wir haben oft, nahezu täglich, mit dem Tod zu tun.“ Ein Sterbefall, und sei es an einem Sonntag, erfordere oft schnelles Handeln. Man spüre die Hilflosigkeit und Not des Anrufers, für ihn „hat die Welt aufgehört sich zu drehen“. Im Gespräch mit den trauernden Angehörigen spüre man die Verständnislosigkeit, die Fragen nach dem „warum“, dem „warum wir“. „Es ist eine Situation voller Unsicherheit und tiefer Trauer.“ Alle Gespräche hätten eines gemein: Angst und das einfach nicht akzeptieren Wollen und Können des Todes. „So vieles bleibt unerledigt, ungesagt, ungefühlt, ungehört“, stellte Kuckelkorn fest. Zentral drehe sich das Gespräch um die Gestaltung des Abschieds. Dabei gehe es auch um einen Abschied am offen Sarg. An diesem Punkt seien sofort Ängste vor dem Tod, vor einem schrecklichen Anblick spürbar. Ängste vor den offenen Emotionen, vor dem Zeigen von Gefühlen. „Das ist mit Sicherheit der schwierigste Moment des Gesprächs.“ Der 41-Jährige betonte, wie wichtig es sei, mit dem Partner oder den Verwandten des Verstorbenen gemeinsam das Totenkleid oder auch Grabbeigaben auszuwählen. Damit könne die Barriere zur Abschiednahme am offenen Sarg leichter überwunden werden. Die dabei zunächst zufällige Berührung des toten Körpers, aber noch mehr ein kräftiger letzter Händedruck, ein ganz bewusster Hautkontakt, führe schließlich zu einer Lösung der Angst.

„Für diesen Moment des Zusammentreffens ist nach meiner Auffassung notwendig, den Verstorbenen mit großer Sorgfalt vorzubereiten“, versteht sich der „Begleiter, Organisator und manchmal ein Stück Seelsorger“ Kuckelkorn auch als Handwerker. „Mein Ziel ist es, dem Menschen oder auch, je nach Standpunkt, der geliebten körperlichen Hülle, ihre Würde im Tod zurückzugeben. Eine Würde, die den Verstorbenen in den Momenten des Todes, im Krankenhaus, im Altenheim oder auf der Straße, beispielsweise nach einem Verkehrsunfall, teilweise verloren gegangen ist.“

Ein Abschied an einem offenen Sarg,
ob in einem Abschiedsraum oder auch zu Hause, sei stets ein prägendes Erlebnis, meinte Kuckelkorn. „Abschied ist wichtig.“ Zwar seien die Vorbereitungen dafür durch den Bestatter aufwendiger. Aber dieser Aufwand lohne sich – für alle Beteiligten. „Die Thanatopraxie – die hygienische Totenfürsorge – das heißt für mich, sich mehrere Stunden mit dem toten Körper auseinanderzusetzen.“ Der Bestatter empfinde zum Teil das Leiden der Menschen vor ihrer Erlösung körperlich nach. Dabei seien die erforderlichen Tätigkeiten, wie den Körper zu reinigen und zu desinfizieren, die Wunden zu verschließen oder auch Konservierung und Visagistik zur Abmilderung von Unfallfolgen vorzunehmen, manchmal belastend, sicher auch schwer. „Aber sie bilden eine der wichtigsten, für mich sogar die wichtigste Aufgabe des Bestatters und Thanatopraktikers.“

„Wir geben damit den uns anvertrauten Menschen ihre Würde zurück“, wiederholte er. Dies schaffe für die Angehörigen eine natürliche Situation, berichtete er von ihren „unglaublich gelösten Gesichtern“ im Abschiedsraum oder ihren „tiefe Zufriedenheit“ bei einer Abschiednahme zuhause. „Wir helfen ihnen damit, den Tod wirklich zu begreifen“, meinte Kuckelkorn es im wörtlichen und übertragenen Sinne. „Dass Berühren eines toten Menschen, dass Spüren der Kälte, wo sonst immer Wärme war, zeigt deutlich, was Tod bedeutet. Das ist unglaublich wichtig. Eine Berührung sagt auch hier mehr als tausend Worte.“

Thomas habe die Auferstehung erst durch das Anfassen verstehen können. „Erst musste er anfassen, dann hat er begriffen.“ Jesus habe es zugelassen und geholfen, so Kuckelkorn. „Warum sollte er es nicht zulassen, das wir einen geliebten Menschen ein letztes Mal in Würde anfassen, um Abschied zu nehmen. Das Ende begreifen.“ Dies helfe, den Tod zu realisieren. „Nur wer den Tod wirklich begreift, begreift auch das Leben.“ Wir alle seien bei einem endgültigen Abschied Zweifler. „Thomas ist uns in all seiner Menschlichkeit dann sehr nahe. Er ist ungläubig, fehlerhaft und voll Zweifel – wie wir alle in solchen Ausnahmesituationen“, so Kuckelkorn. Er plädierte dafür, den Abschied im Tod so zu gestalten, „dass weniger Zweifel bleibt“. „Eine Gesellschaft sollte gut, würdevoll und mit aller Pietät mit den Verstorbenen umgehen – und mit Hinterbliebenen eben so. Wir Bestatter setzen unsere Energie und Kraft dafür ein. Zweifel sind ganz natürlich, Leben ist ganz natürlich, Tod ist natürlich und Hilfe anbieten in solchen Fällen – das ist auch natürlich.“

Kuckelkorn engagiert sich für „Clowns im Kinderkrankenhaus“
Eine Neuheit in der Reihe der Stadtpredigten ist, dass die Prediger ein soziales Projekt „mitbringen“, für das sie sich einsetzen oder das sie selbst begründet haben. Für diese Projekte ist auch die jeweilige Kollekte gedacht. Kuckelkorn engagiert sich für „Clowns im Kinderkrankenhaus“, getragen vom Förderverein des Kinderkrankenhauses Amsterdamer Straße in Köln. Conny Jonas ist eine von sechs Musik- und Beschäftigungstherapeutinnen innerhalb dieses Projekts. Als Clownfrau „Cocktailia“ geht sie von Zimmer zu Zimmer, um die Schmerzen und den bedrückenden Krankenhausalltag der jungen Patienten mit lustigen Spielen und Dingen zu erleichtern und womöglich den Heilungsprozess zu fördern. Auf diese Weise vermittelt Jonas seit einigen Jahren kranken Kindern Spaß und Freude, auch in Kliniken in Viersen und Düren. Bei der kurzen Vorstellung des Projekts und ihrer Tätigkeit rezitierte Jonas in der Antoniterkirche, wo sie zuvor im Clownskostüm die alttestamentliche Lesung vorgetragen hatte, einen an sie adressierten Brief. Er stammt von der Großmutter eines verstorbenen Mädchens. Darin spricht sie Jonas ihren großen Dank, ihre Hochachtung für die langzeitige und vertrauenbildende Betreuung der Enkelin aus. Sie empfinde die Arbeit der Clownin als herzlich und tröstlich und unbedingt notwendig.

Einladung zum Nachgespräch
Wie bereits bei vergangenen Stadtpredigten vereinzelt praktiziert, lud Höcker im Anschluss des Gottesdienstes die Besuchenden in den Gemeindesaal. Dieses Angebot soll, wenn gewünscht, zu einer ständigen Einrichtung werden. Zum Auftakt nutzten zumindest einige Interessierte die Gelegenheit, in kleiner Runde mit Kuckelkorn ins Gespräch zu kommen. Zudem gab dort Clownin „Cocktailia“ auch mit praktischen Demonstrationen einen tieferen Einblick in ihre Arbeit am Krankenhaus.

Nächste Stadtpredigt-Termine
Der zweite Prediger im laufenden Quartal, Kreishandwerksmeister Heinz-Werner Bonjean, behandelt am 21. Mai das Thema „Auferstehung und Leben“. Schon am 25. Juni, aber gedacht als Beitrag für das 3. Quartal mit dem Leitthema „Geist“, wird Nikolaus Schneider, Präses der EkiR, zum Thema „Be-geist-erung“ predigen.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich