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Beruflicher (Wieder)-Einstieg – Ein Gewinn für alle!?

Die Wertschätzung, die Berufsrückkehrerinnen in den Unternehmen der Region genießen, ist offensichtlich nicht besonders hoch. Wie sollte man sonst erklären, dass 1.000 Unternehmen zu der Veranstaltung „Beruflicher ,Wieder‘-Einstieg – Ein Gewinn für alle!?“ eingeladen wurden, aber nicht eines einen Vertreter entsandt hatte.

Schnittstelle zwischen Berufsrückkehrerinnen und Arbeitgeber
Eingeladen hatte das „Netzwerk W“ in Köln, dessen Institutionen sich als Schnittstelle zwischen Berufsrückkehrerinnen und Arbeitgebern verstehen. Dazu zählen der evangelische Kirchenkreis Köln-Mitte genauso wie die Bundesagentur für Arbeit, der „Vingster Treff“, die Stadt Köln, der Caritasverband für die Stadt Köln, der Internationale Bund und andere. So stand denn Arbeitgebervertreter Markus Kögel, stellvertretender Geschäftsführer der IHK Köln, allein der geballten Frauenkompetenz gegenüber. Auf dem Podium diskutierte er mit Familiendezernentin Dr. Agnes Klein, Christine Kronenberg, Leiterin des Amtes für Gleichstellung von Frauen und Männern der Stadt Köln, Eva Pohl von der Agentur für Arbeit Köln, Frauke Greven, Geschäftsführerin des Spielraum-Projektes „Vereinbarkeit“, und Obiageli Njoku, Coach für Berufsrückkehrerinnen.

„Alles steht und fällt mit der Kinderbetreuung“
Gleich zu Beginn nannte Dr. Agnes Klein die Grundvoraussetzung für die Rückkehr von Frauen in den Beruf: „Alles steht und fällt mit der Kinderbetreuung. Wenn dieses gut bestellt ist, können Frauen sich ihrer Karriere widmen.“ Die Familiendezernentin verwies darauf, dass in Köln bis 2013 für 40 Prozent aller Unter-Dreijährigen Betreuungsplätze zur Verfügung stehen sollen. „Dafür müssen wir Kitas bauen, anbauen und umbauen.“ Eine „Riesenbaustelle“ seien die Tagesmütter, deren Zahl noch zu gering sei. Gute Chancen haben Berufsrückkehrerinnen bei der IHK. „Wir raten den Frauen, ihre Auszeit möglichst kurz zu halten“, erklärte Kögel. „Wenn ein Ausstieg auf der Agenda steht, sollten die Frauen gleichzeitig an den Wiedereinstieg denken.“ Von Seiten der IHK halte man engen Kontakt zu den Frauen, die eine Babypause einlegen. Eine Teilzeit-Beschäftigung sei jederzeit möglich.

Ausbildungsleiterin mit Kind in der Stadtverwaltung
Einblicke in ihre berufliche Biographie gewährte Christine Kronenberg: „Ich bin 1988 ein Jahr zu Hause geblieben. Als ich in die Verwaltung der Stadt zurück kam, hatte ich nicht das Gefühl, dass man fair mit mir umgeht. Ich war vorher im Personalamt beschäftigt. Nun wollte man mich ins Steueramt nach Chorweiler schicken. Dagegen habe ich mich erfolgreich gewehrt und war kurze Zeit später Ausbildungsleiterin mit Kind bei der Stadt.“ Kronenberg erinnerte an das städtische Projekt „Betriebs-Sekretärin“, das als positives Beispiel dienen könne. Damals habe man 300 Berufsrückkehrerinnen – „von der Architektin bis zur Käseverkäuferin“ – geschult, die alle sofort einen Job in der Verwaltung gefunden hätten. Eva Pohl wies darauf hin, dass der Wiedereinstieg in der Agentur für Arbeit leicht sei. Vor dem Ausstieg würden bereits Gespräche über die Rückkehr geführt. Es gebe während der Babypause regelmäßige Gespräche, die Frauen würden selbstverständlich zu den Betriebsfesten eingeladen und könnten zunächst auch stundenweise arbeiten.

Gefragt ist Durchhaltevermögen
Frauke Greven verwies auf den „Fachkräftemangel“, der derzeit intensiv diskutiert werde und den es bald wohl auch in frauendominierten Berufen wie etwa in der Pflege gebe. Der Leidensdruck in vielen Unternehmen sei noch nicht hoch genug, um für das Thema „Berufsrückkehrerinnen“ genügend Sensibilität aufzubringen. „In den meisten Unternehmen sucht man eine strategische Personalentwicklung vergebens. Da gilt es schon als gelungen, wenn man die Weiterbildung halbwegs hinbekommt.“ Im Übrigen herrsche in den Firmen die Meinung „Fachkräftemangel betrifft uns nicht. Wir selbst sind so gut, wir kriegen auch die Besten“. „Der verschärfte Wettbewerb wird die Unternehmen anregen, ihre personellen Schätze zu heben“, wandte Kögel ein. Obiageli Njoku berichtete aus der Praxis. „Die Frauen sitzen beim Vorstellungsgespräch vor Personalchefs, deren Frauen zu Hause alles für sie erledigen. Und denen müssen sie dann erzählen, dass sie Haushalt und Job organisiert bekommen.“ Gefragt sei Durchhaltevermögen.

Gleichstellung fängt zu Hause an
Eva Pohl, Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt, verwies auf die Ungleichgewichte unter den Rückkehrern und Rückkehrerinnen. In einem entsprechenden Projekt in der Agentur für Arbeit Köln wurden 610 Frauen und 15 Männer gezählt. In dem Lehrgang „Mit Kompetenz agieren“ werde auch ein Bewerbungstraining angeboten. „Für viele Frauen ist die Hemmschwelle sehr hoch, in unserem Haus um Unterstützung zu bitten.“ Christine Kronenberg erinnerte an eine Binsenweisheit: „Gleichstellung fängt zu Hause an. Die neuen Väter stehen im Moment medial im Mittelpunkt, es wird sogar der ,Vater des Jahres‘ gewählt. Dahinter stehen aber wenig Inhalte. Bei mir im Amt rufen immer die Mütter an, wenn die Kinder Fieber haben.“ Wichtig sei, dass die Frauen abgesichert seien, bevor sie sich auf das „Abenteuer Kind“ einließen. Und sie müssten die Männer von Anfang an einbeziehen. „Man muss mit ihren Leistungs- und Zielvereinbarungen treffen. Wenn klar ist, dass sie für den Kinderarzt und das Fußballtraining zuständig sind, machen sie das meistens auch“, sagte die Gleichstellungsbeauftragte.

Männer in Elternzeit zeigen später mehr Verantwortung
Frauke Greven beschrieb ein statistisch nachgewiesenes Phänomen: „Wenn die Frau ein Kind bekommt, leisten die Väter viel mehr Überstunden als vor der Geburt, weil sie das Gefühl haben, sie müssten Leistung zeigen, weil sich die Frau ja zu Hause um das Kind kümmert.“ Dem müsse entgegen gehalten werden, dass Männer, die Elternzeit nehmen, auch später viel mehr Verantwortung für das Kind übernähmen. Umfragen hätten ergeben, dass für Männer wie für Frauen die 30-Stunden-Woche das Ideal sei. Einig war man sich auf dem Podium, dass Bildung sehr wichtig sei angesichts von einer Million arbeitsloser Frauen in Deutschland ohne Ausbildung. Frauke Greven appellierte an die Arbeitgeber: „Vielleicht sind die Frauen nicht staatlich examiniert. Aber kompetent. Vielleicht haben sie keine Ausbildung, sprechen aber fünf Sprachen und könnten in der Export-Abteilung eines Unternehmens Erfolg haben.“ Christine Kronenberg kritisierte, „dass Frauen als Berufsrückkehrerinnen nicht immer so dargestellt werden sollen, als hätten sie etwas Defizitäres und müssten sich ständig qualifizieren. Das ist bei Männern nicht so.“ Agnes Klein nannte den Ansatz „Das wächst sich aus“, was die Geringschätzung von Frauen beim Wiedereinstieg angehe, grundfalsch. Die neue Shell-Studie habe gezeigt, „dass Frauen sich Männer wünschen, die im Haushalt und bei der Kindererziehung mitmachen. Junge Männer, so die Studie weiter, wünschen sich das genau nicht.“

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann