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Belonging & Beyond: Mäntel und ihre Geschichten als ökumenisches Projekt in Kirchen von Köln und Liverpool

Ausgangspunkt von „Belonging & Beyond“ waren gewöhnliche Kleidungsstücke – Mäntel; Mäntel mit ihren „Geschichten“.  Die Einzelstücke wurden von Menschen der Partnerstädte Liverpool und Köln – beispielsweise der evangelischen Kirchengemeinde Köln-Klettenberg – gestiftet. 
„Mäntel mit Geschichte(n) gesucht“, hieß es im Mai 2004 in den evangelischen und katholischen Kirchengemeinden von Sülz und Klettenberg. Fast 200 Mäntel und Jacken wurden dort gestiftet, die Geschichten ihrer VorbesitzerInnen notiert. Die beiden Künstlerinnen Lin Holland (Liverpool) und Veronika Moos-Brochhagen (Köln) fügten die Mäntel zu zwei Objekten zusammen – die Kleidungsstücke wurden sozusagen in eine andere Ebene transformiert. Die erste Station des so entstandenen Kunst-Projekts war ab September 2004 die Anglikanische Kathedrale Liverpool, nun kommen die Mäntel nach Köln.

Mäntel. Einfach Mäntel.
Mäntel. Einfach Mäntel. Wer hat sie getragen? Wo kommen sie her? Von welchen Ereignissen legen sie Zeugnis ab? Wohin sind sie gereist? Wo sind ihre Besitzer nun?
Die Mäntel erzählen von Verbindungen rund um die Welt, vom gekauften Knopf in New York, bis zur Jacke, die nach Saudi-Arabien reiste. All diese Geschichten sind in „Belonging & Beyond“ aneinandergebunden.

Der Titel
bezeichnet den Spannungsbogen, in dem die Künstlerinnen Moos-Brochhagen und Holland ihre Arbeit sehen: „zugehörig und darüber hinaus“ das ist die deutsche Übersetzung für  „Belonging and Beyond“ 

Der Mantel
Der Mantel steht als Symbol für die Identität des Menschen, er folgt der Architektur des Körpers und besitzt ein Innen und ein Aussen, Intimität und öffentliches Erscheinungsbild. Seine Innenseite ist wärmend, die Aussenseite schützend. Ähnlich den Zelten der wandernden Nomadenvölker geht er mit auf Reisen und begleitet uns oft über viele Jahre. Der eigene Mantel – ein profanes Material, das vom alltäglichen Gebrauch geprägt ist – ist ein vertrauter Begleiter, geprägt von ideeller Wertigkeit, seiner Geschichte und Zugehörigkeit, von der oft nur sein Besitzer weiss. Der Mantel ist Ausdruck von Individualität und Träger von Erinnerungen und bildet eine Brücke zwischen privatem und öffentlichem Leben.

Die Kathedrale
Kathedralen sind das Symbol für die Identität einer Stadt: Mit emporstrebenden Türmen nehmen sie einen festen Platz in der Silhouette der Stadt ein und markieren das äussere Erscheinungsbild.  Sie sind Ausdruck des Kulturerbes. Sie prägen mit Einmaligkeit und Ausstrahlung den Standort. Neben dem repräsentativen Aussen besitzen Kathedralen ein Innen, bieten Schutz und Zuflucht, sind ein Ort der Versammlung und der Sammlung.  Der Innenraum einer Kathedrale ist reich ausgestattet, wie in einer eigenen Stadt kann man sich in ihm von Ort zu Ort bewegen. Seitenkapellen und Querhäuser sind wie Innentaschen und Ärmel in einen großen Mantel genäht, bieten Orte des Rückzugs und erzählen Geschichten.

Das Projekt: ein begehbarer Mantel und ein Turm
Welche Geschichten liegen ungeschrieben im Inneren des Gewebes? Was erzählen sie, Befremdliches oder Vertrautes, Trauriges oder Frohes, von Einsamkeit oder Gemeinschaft? Menschen aus Liverpool und Köln stifteten ihre alten, abgetragenen Mäntel und damit individuelle Geschichten und Erinnerungen – Unikate aus beiden Städten.
Die Mantelbesitzer trennten sich von ihren „Erinnerungsmänteln“ um sie einer neuen Verwendung zukommen zu lassen. Der gemeinsame Weg der „Einzelstücke“ führte in die künstlerische Aktion: Die über 300 Mäntel wurden zu einer Haut zusammengenäht. Es entstanden zwei Skulpturen, ein begehbarer Mantel und ein Turm, als Bild- und Tondokumente sind die Geschichten der Kleidungsstücke integriert und können von den Besucherinnen und Besuchern dort nachgelesen und gehört werden. So erzählen diese  Skulpturen im Inneren die Geschichten der Einzelnen und öffnen einen erfahrbaren, kommunikativen Raum, der über das Einzelne hinausführt. Beide Formgestalten knüpfen an spirituelle Raumkörper an.  Der Mantel nimmt Bezug zum Mensch und seiner Körperhülle, der hochstrebende Turm zur Kathedrale, der Raumhülle.

Die Presse
Bei der ersten Ausstellungs-Station in Liverpool reagierte die englische Presse regelrecht begeistert: „It’s impressive“, war bei BBC zu hören, andere sahen die Skulpturen schon als englischen Beitrag für die Bienale. Nachzulesen hier.

Die Zusammenarbeit, Vorgeschichte
1999 stellten fünf Kölner Künstlerinnen im Rahmen des Projekt „Eight Days A Week“ des städtepartnerschaftlichen Austausches zwischen Liverpooler und Kölner Künstler(innen) in Liverpool aus. Während ihres Aufenthaltes in der Stadt suchten sie aktive Künstler, die an einer Zusammenarbeit für ein zukünftiges Projekt interessiert waren. Moos-Brochhagen und Holland entdeckten Ähnlichkeiten in ihren Arbeiten und im Verlauf der folgenden zwei Jahre besuchten sie sich gegenseitig in ihren Ateliers und Städten und entwickelten das Konzept mit dem Titel „The Same Only Different“ (gleich nur verschieden) für die Ausstellung „Made in Köln – Gefunden in Liverpool“, die 2002 anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Partnerstädte im Historischen Rathaus der Stadt Köln und in der Galerie „View II“ in Liverpool gezeigt wurde.

Die künstlerische Zusammenarbeit von Veronika Moos-Brochhagen und Lin Holland setzte sich nach Abschluss des Projektes fort. Weitere Gespräche der Künstlerinnen berührten das gegenseitige Interesse rund um das Leitmotiv „Durchdringung“, sowohl in der Arbeit, als auch im Hinblick auf das alltägliche Leben. Sie benannten die Notwendigkeit (und die Freude) in der Eingebundenheit der alltäglichen Routine, und andererseits das stetige Suche nach etwas „Anderem“. Der Versuch dieses „Andere“ zu benennen,ist vergleichbar mit dem spirituellen Suchen des Menschen; die Notwendigkeit, Antworten auf die grossen Fragen zu finden: Wer bin ich? Warum existieren wir? Was geschieht, wenn das Leben endet?  Eine Erforschung dieser Fragen, eingebunden in die Bildende Kunst, das war der Spannungsbogen, in dem Moos-Brochhagen und Holland mit ihrem Projekt „Belonging and Beyond“ arbeiten wollten – eben „zugehörig und darüber hinaus“.

Ausstellung, Stationen
September bis November 2004: Anglikanische Kathedrale Liverpool
April bis Mai 2005: St. Maria im Kapitol, Köln
August 2005: Weltjugendtag, Köln
Herbst 2005: Metropolitan Kathedrale, Liverpool

Text: Belonging and Beyond/AL
Foto(s): Belonging and Beyond