„Du sollst dich selbst unterbrechen“ heißt es in einem Gedicht von Dorothee Sölle. In ihren Zeilen plädierte die Theologin für die Zeit der Stille zwischen Arbeiten, Konsumieren, Aufräumen, Vorbereiten, Wegschaffen und Planen, in der wieder Raum für Spiritualität und Reflexion entsteht. Auch viele Frauen, so die Erfahrung von Sabine Richarz, Frauenbeauftragte im Kirchenkreis Köln-Rechtsrheinisch, sind im Alltag zerrieben und zerrissen. Grund genug, Sölles Gedicht zum Motto für den zweiten Oasen-Tag für Frauen zu machen, der diesmal in der Gemeinde der Brücker Johanneskirche statt fand.
„Geht an einen einsamen Ort!“
Was Sölle im 20. Jahrhundert beschwor, findet sich auch schon 2.000 Jahre früher, aber was in Markus 6, 30-32 beschrieben wird, irritiert auch: Die Jünger kommen nach wochenlanger Missionsreise zurück, sind voll mit Erlebnissen und Gedanken, die sie erzählen wollen, und es gäbe auch sofort wieder genug zu tun für sie. Aber Jesus schickt sie erst einmal an einen stillen Ort, wo sie sich ausruhen sollen. Diese Aufforderung, die Abgeschiedenheit zu suchen, machte vielen Frauen Mühe, erinnert sich Richarz. „Man will doch erzählen“, war der Tenor.
Das Reflektierte wird kreativ
Das Gespräch nahm beim Wohlfühl-Tag dennoch viel Raum ein – in Gruppen, Kleingruppen und zu zweit. Renate Voswinkel, ehemalige Leiterin des „Hauses der Stille“ in Rengsdorf sorgte mit Übungen aus der Entspannungstechnik der Eutonie dafür, dass das Innehalten und „in sich hinein spüren“ keine Kopfgeburt blieb. Nach der Mittagspause wurde das Reflektierte kreativ vertieft, unter anderem malend.
Gesprächskreis für Verwitwete
Eine Uhr, die Zeiger auf „fünf vor zwölf“ und Pastelltöne, um die Uhr herum die Hindernisse, die einem im Wege stehen, wenn es darum geht, sich Zeit zu nehmen und Ruhe zu finden: „Wenn man sich Zeit lässt, kommt man vielleicht zur Ruhe“ ist Inge B. aus Brück überzeugt. Sie besucht in ihrer Gemeinde einen Gesprächskreis, in dem viele verwitwete Frauen sind, und wollte einfach einen „Wohlfühl-Tag“. „Ich wäre auch bei einem anderen Thema gekommen“ ist sie sich sicher.
„Ruhe finden“ auch im Alter
Häufige Motive in der Malgruppe, die von Christa Atten, Gemeindepädagogin in Köln-Ostheim, geleitet wird, sind Kreise und Regenbögen – das Friedenssymbol und die Suche nach einem Zentrum. So auch bei Liane Feldmann aus Köln-Rath. „Das Thema „Ruhe finden“ ist auch im Alter präsent, ist sich die Seniorin sicher, „man muss sich nicht immer bespaßen“. Der Regenbogen dominiert das Bild von Monika Klein, „einfach, weil es meine momentane Stimmung wiedergibt“.
Trauer- und Abschiedsprozesse
„Ich wollte einen Wohlfühl-Tag“ – dieser Ausspruch von Inge B. trifft Richarz‘ Motivation: „Ich wollte den Frauen, die oft ehrenamtlich engagiert sind, etwas anbieten“. Die Vernetzung der Frauen im Kirchenkreis ist ein weiteres Anliegen des Oasen-Tages, von dem sie hofft, dass er auch nach ihrem beruflichen Wechsel und einer Umstrukturierung bestehen bleibt. So recht ins Bild der gestressten, modernen Frau passte der hohe Anteil an Seniorinnen dabei nicht – aber als Zielgruppe sind sie dennoch präsent: „Die älteren Frauen brauchen das auch, denn sie haben häufig Trauer- und Abschiedsprozesse hinter sich“, ist Richarz überzeugt.
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