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„Befreiung und Neubeginn. 60 Jahre nach Kriegsende“ Veranstaltungsreihe bündelt über 100 Angebote

„Spannend ist nicht nur die Breite der Themen und Inhalte. Spannend ist ebenso die Vielfalt der Veranstaltungsformen“, so Werner Jung. Der Direktor des NS-Dokumentationszentrums ist gemeinsam mit Peter Liebermann, Vorsitzender des Vereins EL-DE-Haus, und Jürgen Wilhelm, Vorsitzender der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, Initiator der Reihe. Angelehnt ist sie an das „außerordentlich erfolgreiche“ Veranstaltungsprojekt „1933: Köln wird braun“, das 2003 zum 70. Jahrestag der nationalsozialistischen Machtergreifung aufgelegt wurde.

Nur die Zeitzeugen können (noch) erzählen, was Krieg und Verfolgung bedeuten
Die Reihe umfasst unter anderem Vorträge und Lesungen, Filme und Workshops, Ausstellungen, Gespräche und Führungen, Theater, Begegnungen und Gedenkveranstaltungen, Besichtigungen und Exkursionen, Radio- und Fernsehbeiträge. „Wir hoffen, dass dieses Programm einen Dialog ermöglicht mit der Generation, die noch mitteilen kann, was Krieg und Verfolgung bedeuten“, erläuterte Jung. „Wir müssen und sollten die Stunde nutzen. Viele der Menschen, darunter zahlreiche traumatisiert, die als Kinder und Jugendliche diesen Krieg mit erlebt haben, möchten sich jetzt mitteilen. Diese Generation empfindet es als wichtig, dass darüber gesprochen wird.“

Erfahrungen der so genannten Kriegskinder
Peter Liebermann betont den Gegenwartsbezug der Reihe. Es gehe nicht nur um rückwärtsgewandte pädagogische Aufarbeitung des Krieges, sondern auch um dessen bis heute wirksamen Folgen. „Es geht um die Erfahrungen der so genannten Kriegskinder, denen wir ein Forum geben müssen. Also um die Frage, wie sich Krieg auf den Menschen auswirkt, übrigens ein Aspekt, der uns in der heutigen Zeit allgemein beschäftigen muss.“ Wichtig erachtet Liebermann zudem, dass nicht nur auf die deutschen Opfer geschaut, nicht nur in Täter und Opfer unterteilt wird, sondern allgemein gesellschaftliche Zusammenhänge und die weit reichenden Folgen des Krieges auch jenseits der deutschen Grenzen angesprochen werden.
Einen „Blick auf die andere Seite des Krieges“ richtet etwa die von der Synagogen-Gemeinde Köln und dem Verein Gegen Vergessen – Für Demokratie/ Regionalgruppe Mittelrhein organisierte Veranstaltung „Veteranen der Roten Armee berichten“ (Donnerstag, 16. Juni, 19 Uhr, Synagoge, Roonstraße 50). Moderiert von Werner Jung, schildern ehemalige „Rotarmisten“, die heute Mitglieder der Kölner Synagogen-Gemeinde sind, ihre Erlebnisse im Krieg gegen Hitler-Deutschland.

Mit-Veranstalterin: die evangelische  Melanchthon-Akademie
„Unsere Beiträge richten sich in der Hauptsache an Menschen zwischen 16 und 25 Jahren“, erläutert der Studienleiter des KOMED in der Melanchthon-Akademie, Joachim Ziefle. „In vielen Veranstaltungen der Reihe geht es um die Erinnerung von Zeitzeugen. Wir wollen insbesondere junge Menschen ansprechen, sich mit diesen Erinnerungen auseinanderzusetzen. Sie haben in der Regel überhaupt keine Berührung mit dem Thema, vielleicht noch über die Großeltern oder den Schulunterricht.“ Das Kriegsende markiere zugleich den Beginn der Demokratie, der Beginn von etwas Neuem, so Ziefle. „Wir fragen: Was steckt dahinter? Wir laden junge Menschen ein, sich mittels Film- und Radioprojekten mit neuen Formen der Erinnerung und kritisch mit deutscher Geschichte zu befassen. Dazu kommen Kinofilme: Sie sind auch geeignet für Schulklassen. Sie regen an zu Vergleichen: Wie war es damals, wie ist es heute?“

Am 16./17.April, jeweils 10-17 Uhr beginnt das Radioprojekt „Von Zeitzeugen und anderen Zeugnissen“ unter Leitung von Nina Oxenius. „Es ist ein Länder übergreifendes Unternehmen“, sagt Ziefle. „Junge Menschen erstellen aus Interviews mit Zeitzeugen, mit Menschen der Nachkriegszeit und der heutigen Generation eine einstündige Magazinsendung. Parallel dazu erarbeiten Gruppen in Griechenland, Italien, Polen und Tschechien Beiträge zu ihrer jeweils eigenen Geschichte. Für September ist in Warschau ein Treffen und Austausch aller Gruppen vorgesehen.“

An Schulklassen wendet sich „Stunde Null. Ein Filmprojekt zum demokratischen Neubeginn vor 60 Jahren“ mit Kerstin Mehle-Pöppel (Termin nach Vereinbarung). Die Teilnehmenden werden einen Kurzfilm entwickeln, „der eine historische Begebenheit aufnimmt und diese filmisch umsetzt: Drehbuchentwicklung, Darstellung, Regie, Schnitt. Über die Vermittlung von Medienkompetenz hinaus wird auf das geschichtliche Erbe Deutschlands und dessen Bedeutung für die Zukunft eingegangen.“

„´Was geht uns das heute noch an?´ NS-Geschichte im Film“ heißt ein Workshop am 18. April, 16-20 Uhr, mit Manfred Rüsel. Er richtet sich an Lehrende der Fächer Geschichte, Deutsch, Politik und Religion/Ethik. Dabei wird ein Bogen gespannt vom NS-Propagandafilm „Jud Süß“ bis zu aktuellen Filmen über die NS-Zeit („Der neunte Tag“, „Der Untergang“, „Im toten Winkel“, „Napola“). Unter anderem geht es auch um „mediale Strategien zur Erschaffung von Feindbildern“. Jeweils eine Filmvorführung und ein Seminar mit Manfred Rüsel beinhalten die Angebote von Melanchthon-Akademie und aktuelles forum nrw im Filmhaus Köln, Maybachstraße 111. Am 25. April, 19.30 Uhr steht „Napola“ auf dem Programm, am 27. April, 19.30 Uhr, „Im toten Winkel – Hitlers Sekretärin“.

Am 12. Mai, 19.45 Uhr, lädt die Melanchthon-Akademie in ihr Haus am Kartäuserwall 24 b ein. Dort hält Akademieleiter Marten Marquardt einen Vortrag mit dem Titel „Erinnerung. Die anstrengende Arbeit des Zusammenfügens“. Darin will Marquardt „die biblische Sicht verpflichtender Erinnerung vorstellen und fruchtbar machen für das Gedenkjahr“.

In Kooperation mit dem forum nrw lädt die evangelische Melanchthon-Akademie  zu weiteren Workshops, Radio- und Filmprojekten zum Thema ein. Information und Anmeldung unter Telefon 0221/ 5743344, Ort:  Komed, Mediapark 7.

Erzähl- und Begegnungscafé für NS-Verfolgte
Eine Brücke zwischen Zeitzeugen und Nachgeborenen soll beispielsweise das Erzähl- und Begegnungscafé für NS-Verfolgte schlagen. Auf Initiative des Bundesverbandes Information und Beratung für NS-Verfolgte e.V. seit 10. März, 15 bis 18 Uhr, jeden zweiten Donnerstag im Restaurant des Alten- und Pflegeheimes „Residenz am Dom“ (An den Dominikanern 6-8). Geplant ist es zunächst als Treffpunkt für die Überlebenden des Regimes. Am 21. April, 16. Juni, 8. September und 3. November haben aber auch interessierte Jugendliche und Erwachsene Gelegenheit, mit NS-Verfolgten über deren Erfahrungen zu sprechen.
Der Evangelische Stadtkirchenverband Köln hat das Erzähl- und Begegnungscafé für NS-Verfolgte mit einer Anschubfinanzierung in Höhe von 3.000 Euro unterstützt. Das Grußwort von Stadtsuperintendent Ernst Fey zur Eröffnung hier

Sonderausstellung „Zwischen den Fronten. Kölner Kriegserfahrungen 1939-1945“
Zum 60. Jahrestag des Kriegsendes in Köln zeigt das städtische NS-Dokumentationszentrum im EL-DE-Haus außerdem die Sonderausstellung „Zwischen den Fronten. Kölner Kriegserfahrungen 1939-1945“. Hier geht es um die persönlichen Erinnerungen von Kölnern an die Kriegszeit. Bestückt ist die Präsentation unter anderem mit privaten Briefen, Fotografien, Tagebüchern, Berichten, Zeitschriftenartikeln und Objekten, die zahlreiche Kölner nach einem Aufruf des Dokumentationszentrums zur Verfügung gestellt haben. Die Ausstellung bleibt aber nicht auf die Erlebnisse in der Domstadt beschränkt. Übersichtlich gegliedert in Kapitel wie „Kriegsalltag“, „Vernichtungskrieg“, „Deportationen“, „Kriegsmigration“, „Kriegsstimmung“, „Kriegskontakte“, „Kriegszerstörung“, „Kriegsende“ und „Befreiung“ (die Gewissheit, „als Individuum nicht mehr bedroht“ zu sein), dokumentiert und kommentiert sie in Bild und Schrift auch anderswo gemachte Erfahrungen. Sie erinnert an die alltägliche „Normalität“ und „entsetzliche Wirklichkeit des Krieges“, an das Grauen, die Gewalt und das Sterben an Orten, wohin es Kölnerinnen und Kölner als Soldaten, Deportierte, Verfolgte, Besatzer, Evakuierte, Flüchtlinge und Kriegsgefangene verschlagen hatte.

In vier einzelnen Räumen, die durch Ulrike Oeters Installation aus „begreifbaren“ Filzrechtecken mit aufgedruckten Fotos vom kriegszerstörten Köln verbunden sind, gehen die Ausstellungsmacherin Karola Fings und ihre KollegInnen auf die individuellen Geschichten von fünf Kölner Familien ein: auf die Geschichte der protestantischen Unternehmer-Familie Brügelmann, der jüdischen Arzt-Familie Schönenberg, der Familie des im Widerstand engagierten Nikolaus Groß und der katholischen Familien Lammerich und Seiwert.

Öffnungszeiten:
Die Ausstellung „Zwischen den Fronten“ im NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln, Appellhofplatz 23-25, ist bis zum 20. November geöffnet dienstags bis freitags von 10-16, samstags und sonntags von 11 bis 16 Uhr. Führungen für Gruppen aller Art, also auch für Gemeindegruppen, können vereinbart werden mit Barbara Kirschbaum unter Telefon 0221/ 221-26332, Fax: 0221/ 221-25512 oder der E-Mail-Adresse nsdok@stadt-koeln.de.

Ökumenischer Gedenkgottesdienst
Zum 60. Jahrestag des Endes des 2. Weltkrieges lädt die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen am 8. März, 18 Uhr, in Groß Sankt Martin zu einem Ökumenischen Gedenkgottesdienst.

Das komplette Programm
Das gesamte Programm von »Befreiung und Neubeginn. 60 Jahre nach Kriegsende« ist als pdf-Datei hier einzusehen.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich