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Ballast abwerfen bei der Aktion „7 Wochen ohne“. Die Zeit der Besinnung an einem Beispiel der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Deutz/Poll dargestellt

„Sieben Wochen ohne“ – das versuchen zahlreiche Menschen in Deutschland in der Passionszeit. Auch in der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Deutz/Poll treffen sich regelmäßig Christinnen und Christen, die in den Wochen vor Ostern den Genuss einschränken, dafür aber ein Mehr an Lebensqualität gewinnen wollen.

Befreiende Wirkung
„Uns Protestanten geht es ja nicht primär ums Fasten“, erklärt Pfarrer Georg Heilinger, der die Aktion vor mehr als 20 Jahren in der Gemeinde initiiert hat. Seitdem treffen sich jedes Jahr von Aschermittwoch bis Ostern im Schnitt zehn Deutzerinnen und Deutzer in einem kleinen Raum im Gemeindezentrum an der Mathildenstraße. „Es ist eine Zeit der Stille, der Besinnung“, so Heilinger. Gemeinsam werde über die Ziele gesprochen, die man sich vorgenommen habe, und eine Reduzierung auf das Wesentliche habe für die Teilnehmenden oft eine befreiende Wirkung. „Auch“, schmunzelt der Pfarrer, „wenn nicht alle Vorsätze umgesetzt werden können – entscheidend ist, was mitgenommen wird und über die sieben Wochen der Aktion hinausreicht.“

Entscheidung nicht nur gegen, sondern auch für etwas
Und da beschränkt sich Heilinger nicht nur auf die Rolle des Moderators und Unterstützers. „Ich selbst möchte Ballast abwerfen“, erzählt er beim ersten Treffen der diesjährigen Aktion. Für ihn ist es das letzte Mal, dass er die Runde begleitet, da er in diesem Jahr in den Ruhestand geht. Verbunden damit ist der Umzug von der Dienstwohnung in eine kleinere Wohnung, „und da werde ich mir überlegen, was brauche ich wirklich, worauf kann ich verzichten“. Dabei gehe es nicht allein um Verzicht, darauf einigte sich die Gruppe sehr schnell. Man entscheidet sich nicht nur gegen etwas, sondern gleichzeitig auch für etwas – für ein bewussteres Leben, für die Konzentration auf wesentliche Dinge.

Struktur im Tagesablauf
Überflüssigen Ballast loswerden, das war ein zentrales Thema bei den Teilnehmenden des ersten Abends. „Ich habe vor einigen Jahren damit begonnen, Sachen, die ich nicht mehr brauche, abzugeben, zu verschenken. Seitdem habe ich mehr Platz und fühle mich viel wohler“, erzählt Elisa Stausberg. Die 73-Jährige nimmt seit einigen Jahren wieder an der Aktion teil, „weil ich so träge geworden bin“, wie sie sagt. Sie wolle mehr Struktur in ihren Tagesablauf bekommen und einige Automatismen abstellen. „Man macht so viele Dinge, ohne sich zu fragen, ob das wirklich nötig ist. Muss ich jetzt noch eine Scheibe Brot essen, obwohl ich eigentlich satt bin?“ Auch das eine oder andere Gläschen Wein, dass sie gerne trinke, wolle sie überdenken. „Wenn ich das 14 Tage durchhalte, bin ich schon stolz auf mich“, erklärt sie. Als Katholikin hat sie Pfarrer Heilinger im sozial-ökumenischen Arbeitskreis in Deutz kennen gelernt. „Wir sind ein ökumenischer Kreis. Die Religion ist weniger wichtig als das gemeinsame Ziel“, betont Heilinger ein wesentliches Element der Deutzer Fastenaktion.

„Da gewinnt man jede Menge“
Etwas weniger essen und trinken will auch Hans-Peter Eckart. „Und zwei Kilo abnehmen“, lacht der 69-jährige Presbyter der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Deutz/Poll. Seit acht Jahren macht er regelmäßig bei der Aktion mit, „und ich konnte bislang einiges umsetzen, was ich mir vorgenommen habe“. Ein wichtiges Anliegen ist ihm sein Verhalten gegenüber seinen Mitmenschen. „Als selbstständiger Handwerksmeister bin ich auch Chef, und ich will versuchen, im Umgang mit anderen weniger den Chef herauszukehren“, sagt er. Auch er betont, dass er die Fastenaktion nicht nur als Entscheidung gegen etwas, sondern für etwas begreift. „Da gewinnt man jede Menge.“

Bibelimpulse, Bildmeditationen und gedämpftes Licht
Die Ruhe und Besinnung, die die Teilnehmenden der Aktion suchen, sollen sie vor allem auch in den wöchentlichen Treffen im Gemeindezentrum finden. Mit Bibelimpulsen, Bildmeditationen, auch einigen Fastenübungen und vor allem dem gemeinsamen Gespräch wollen sie sich gegenseitig stärken und unterstützen. Ein Tuch mit einer brennenden Kerze auf dem Boden und gedämpftes Licht helfen dabei sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. „In der Stille erfährt ein Mensch am ehesten, wer er ist, was er braucht und welche Wege für ihn sinnvoll sind“, zitierte Heilinger einen Dichter. Nach dieser Devise wollen auch die Deutzer Teilnehmenden der Fastenaktion verfahren.

Text: Jörg Fleischer
Foto(s): Jörg Fleischer