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„Auszeichnung für einen Störenfried“: Kölner Flüchtlingsrat e.V. bekam den mit 5.000 Euro dotierten Bilz-Preis

Eine nicht alltägliche Ehrung wurde dem Förderverein Kölner Flüchtlingsrat zuteil. Im DGB-Haus am Hans-Böckler-Platz nahmen Vorstand und Geschäftsführung aus den Händen des früheren Regierungspräsidenten Jürgen Roters den Bilz-Preis entgegen. Die seit 1998 verliehene Auszeichnung ist mit 5000 Euro dotiert und wird einmal im Jahr an Institutionen verliehen, die sich für Völkerverständigung und gegen Rassismus einsetzen.

Anerkennung für die geleistete Arbeit
„Es ist ein schönes Gefühl für uns alle, dass unsere Arbeit entsprechend gewürdigt wird“, freute sich Claus-Ulrich Prölß, Geschäftsführer des Flüchtlingsrates. Zusammen mit Wolfgang Schild, Vorsitzender, und Markus Ottersbach, stellvertretender Vorsitzender, nahm er die Urkunde entgegen. „Die Existenz dieses Vereins weist auf eine Problematik hin, die aufgrund der Migration von Millionen Menschen weltweit jedes Land, jede Stadt, jedes Dorf betreffen. Es geht um Menschen, die aus politischen, religiösen und wirtschaftlichen Gründen ihre Heimat verlassen müssen“, würdigte Fritz Bilz die Arbeit des Flüchtlingsrates. Bilz gründete 1998 die gleichnamige Stiftung. Zu den bisherigen Preisträgern gehörten unter anderem der „Unterstützerkreis für von Abschiebung bedrohte Kinder“ und der „Roma e.V.“. Den aktuellen Preisträger charakterisierte Jürgen Roters prägnant und treffend: „Es ist eine Auszeichnung für einen Störenfried.“

Haus der Evangelischen Kirche war „Geburtsort“
Als äußerst effizienter Störenfried betätigt sich der Kölner Flüchtlingsrat seit 1984. Geburtsort war das Haus der Evangelischen Kirche, wo sich unterschiedliche Menschen und Institutionen zusammenfanden, denen das Wohl der Flüchtlinge und das im Grundgesetz verankerte Recht auf Schutz und Asyl am Herzen lag. Es war eine Zeit, in der es um diese Rechte nicht gut bestellt war. Fremdenfeindliche Aktionen und politische Diskussionen, die auf eine Aushöhlung dieser Rechte zielten, machten Flüchtlinge und Asylbewerber zu einer Zielscheibe für physische und mediale Gewalt. Eine Lobby für diese Menschen gab es nicht, und genau das wollte der Flüchtlingsrat ändern. Viele evangelische Pfarrerinnen und Pfarrer und die Evangelische Kirche als Institution wirkten maßgeblich an der Gründung des Fördervereins mit und sind auch heute noch eng mit ihm verbunden.

Flüchtlingen eine Stimme geben
Lobbyarbeit, das ist auch heute nich ein Großteil der Aufgaben, die die fünf hauptamtlichen und zahlreichen ehrenamtlichen Mitarbeiter bewältigen. „Wir wollen diesen Menschen eine Stimme geben“, sagte Prölß, denn die Themen von damals seien auch die Themen von heute. Den Flüchtlingen eine Stimme geben, das ist nach wie vor das Ziel des Kölner Flüchtlingsrates, und dafür werden Kontakte und Gespräche nicht nur auf kommunaler Ebene, sondern auch bis zum Inneneministerium in Düsseldorf gepflegt. Auch mit den zuständigen Stellen in Berlin findet ein regelmäßiger und reger Austausch statt. Dabei hat es der Flüchtlingsrat in den vergangenen 23 Jahren geschafft, nicht als lärmender „agent provocateur“ in Erscheinung zu treten, sondern als kompetenter Gesprächspartner zu überzeugen und konstruktive Arbeit auch im Stillen zu leisten. Eine Position, die Jürgen Roters schon in den neunziger Jahren, in seiner Zeit als persönlicher Referent des damaligen NRW-Innenministers Herbert Schnoor, zu schätzen wusste.

Zahl der Beratungen steigt tendenziell an
Neben der Arbeit auf institutioneller Ebene kommt es aber auch zum persönlichen Kontakt mit den Betroffenen. Das Beratungsangebot des Kölner Flüchtlingsrates nutzen allein in diesem Jahr rund 650 Flüchtlinge. „Die Zahl der Menschen, die nach Deutschland flüchten, nimmt zwar kontinuierlich ab, die Zahl der Beratungen bei uns steigt aber tendenziell“, erklärte Prölß. Das führt er auf die Steigerungen bei der Häufigkeit und Intensität der Gespräche zurück. Die Hauptfelder sind natürlich Fragen zum Asylverfahren und zum Aufenthaltsrecht, aber auch arbeitsrechtliche Fragestellungen oder sozialgesetzliche Themen werden immer wieder angesprochen. „Die Menschen wollen natürlich wissen, wie es mit ihnen weitergeht, ob sie arbeiten können und von welchen Stellen sie Hilfe zum Lebensunterhalt bekommen könnten“, fasste Prölß das Beratungsspektrum zusammen. Zurzeit leben in Köln 400 bis 500 Personen, die einen Asylantrag gestellt haben. Die Zahl der geduldeten Flüchtlinge in der Stadt schätzt Prölß auf etwa 5000.

Flüchtlingsrat ist ab Januar auch in Bonn präsent
Die Zahl der Beratungen steigt aber auch deshalb, weil der Kölner Flüchtlingsrat sein Beratungsangebot ausweitet. Derzeit sind die Mitarbeitenden im Haus der Evangelischen Kirche an der Kartäusergasse, in einem Flüchtlingswohnheim an der Vorgebirgsstraße und, seit 1. Juli 2007, im Nippeser Flüchtlingszentrum „Haus der Kulturen“, das der Flüchtlingsrat gemeinsam mit dem Verein „Zurück in die Zukunft“ betreibt. Ab Januar gibt es auch Beratungen in Bonn. „Wir haben eine Kooperation mit dem Verein ,Ausbildung statt Abschiebung‘ vereinbart und werden in dessen Räumen Beratungen anbieten“, kündigte Claus-Ulrich Prölß an. Eine weitere Kooperationsvereinbarung besteht mit dem Flüchtlingsrat Leverkusen. „Damit decken wir geografisch gesehen einen sehr weiten Bereich ab“, freute sich der Geschäftsführer.

5000 Euro für Integrationsangebote
Mit dem Bilz-Preis und der damit verbundenen finanziellen Zuwendung kann die Arbeit aber auch in der Tiefe gestärkt werden. „Die 5.000 Euro verwenden wir für Integrationsangebote im Nippeser Flüchtlingszentrum“, so Prölß. Das Haus wird derzeit von der Stadt umfassend renoviert, „wir hoffen, dass diese Arbeiten im Februar abgeschlossen sind“, sagte Claus-Ulrich Prölß. Auf dass sich der „Störenfried“ auch weiterhin effizient und erfolgreich einmischt.

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