You are currently viewing Ausstellung in der Antoniterkirche präsentiert „Archäologische Funde im AntoniterQuartier“
Dr. Dirk Schmitz, verantwortlicher Grabungsleiter der Ausgrabungen im AntoniterQuartier, erklärt die Funde

Ausstellung in der Antoniterkirche präsentiert „Archäologische Funde im AntoniterQuartier“

Klein, aber erlesen ist die Ausstellung in der Antoniterkirche an der Schildergasse. Sie wartet auf mit ausgewählten repräsentativen archäologischen Funden. Zutage gefördert wurden sie 2017 bei der bauvorbereitenden Ausgrabung des Römisch-Germanischen Museums (RGM) Köln/Kölner Bodendenkmalpflege auf dem Areal unmittelbar südlich der Antoniterkirche. Dort soll Anfang 2020 das moderne Citykirchenzentrum AntoniterQuartier der Evangelischen Gemeinde Köln eröffnet werden.

Zu den bemerkenswerten Kleinfunden zählen aus römischer Zeit eine Münze mit säugender kapitolinischer Wölfin, zwei Ziegel, davon einer mit dem Abdruck einer Hundepfote, und ein keramisches Topffragment mit zwei großen Augen – alle aus 1. Jahrhundert stammend. Ebenso zählen dazu eine weitere Münze mit Christogramm (4. Jahrhundert) sowie das Futteral eines Knochenkamms (5. Jahrhundert). Besonders fasziniert eine Gemme (2. Jahrhundert). Das Schmuckstück, ein dunkelblauer Achat mit eingraviertem Fischmotiv, das einen Knurrhahn zeigen soll, ist daumennagelklein.

Insgesamt konnte das Grabungsteam mit dem verantwortlichen Grabungsleiter Dr. Dirk Schmitz Fundstücke aus 2000 Jahren bergen: beginnend mit dem augusteischen Zeitalter (30 v. Chr. bis 14 n. Chr.) über das Mittelalter, die frühe Neuzeit bis ins 20. Jahrhundert. So stieß es etwa auf vormals für Großbauten gearbeitete Säulentrommeln und Kalksteinblöcke. Anfang des 2. Jahrhunderts wurden sie zur Verfüllung von Gruben verwendet, aus denen zuvor Lehm abgebaut worden war. In der Ausstellungsvitrine finden sich zahlreiche antike Scherben angehäuft. Dazu gesellen sich unter anderem „zwei gelb glasierte Fragmente einer sogenannten gotischen Nischenkachel“ sowie Ende des 18./ Anfang des 19. Jahrhunderts in Frechen gebrannte, in Schlickmalerei verzierte und mit Bleiglasur überzogene Teller.

„Im Regelfall liefert Archäologie keine Zufallsfunde“, stellte Prof. Dr. Marcus Trier, Direktor des RGM und Leiter der Kölner Bodendenkmalpflege, bei der Eröffnung der Ausstellung „Archäologische Funde im AntoniterQuartier“ fest. „Wir wissen in der Regel ziemlich genau, was zu erwarten ist.“ Bei solchen Rettungsgrabungen sei man tatsächlich vollständig durchgeplant unterwegs. Das AntoniterQuartier befinde sich im Herzen Kölns, in unmittelbarer Nähe des Fadenkreuzes von Cardo maximus (heute Hohe Straße) als der Nord-Süd-Achse und von Decumanus maximus (heute Schildergasse) als Ost-West-Achse. Das habe man gewusst. „Man weiß das meiste, aber nicht alles“, schränkte Trier ein.

So gab den Archäologen der aufgedeckte Grundriss eines 20 mal 9 Meter großen Gebäudes mit einem kleinen südwestlichen Anbau zunächst Rätsel auf. Letztlich entpuppte sich die Entdeckung als große Sensation. Aufgrund der Nischen im Innern des langgestreckten Saales identifizierte Schmitz den Großbau als öffentliche römische Bibliothek, errichtet wohl nach der Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. Damit gehören die zwei Meter breiten Fundamente aus Zement mit Basaltkleinschlag und die wenigen erhaltenen Abschnitte mit aufgehendem Mauerwerk zur ältesten nachweisbaren Bibliothek nördlich der Alpen. „Das ist ein Sechser im Archäologie-Lotto“, freute sich Citykirchenpfarrer Markus Herzberg. „Passt! Mit Zusatzzahl“, ergänzte Trier.

Schmitz erinnerte daran, dass die  Ausgrabung für jede Zeitphase „eine für uns riesige Überraschung gebracht hat“. So habe man für die Zeit des Kaisers Augustus neun Töpferöfen nachweisen können. „Wenn ein Brand misslungen war, verkippte man die Ofenfüllung einfach im Ofen.“ Aus dieser Entdeckung folgerten die Wissenschaftler auch, dass man damals nicht in diesem Bereich nahe dem Forum gesiedelt hat. Erst nachdem der feuergefährliche Handwerksbetrieb aufgegeben worden ist, wurde das Areal besiedelt. Als ebenso überraschend bezeichnete Schmitz, dass das Gebiet für den Lehmabbau genutzt worden sei. Anfang des 2. Jahrhunderts habe man die Grubenanlagen verfüllt und das Gelände bewusst hergerichtet.

Im 13. Jahrhundert sei das Areal an den Bettelorden der „Sackbrüder“ übertragen worden. Zur Erstausstattung ihrer 1260 errichteten Kirche gehörte ein nun ausgegrabenes, gut erhaltenes Weihwasserbecken. Das RGM verleiht es dauerhaft an die Antoniterkirche. Seiner ehemaligen Funktion enthoben, ist es nahe am Eingangsbereich platziert. „Es stammt aus der Zeit vor der Reformation und erinnert an die gemeinsame Geschichte der christlichen Kirchen“, so Herzberg. Auf die „Sackbrüder“ folgte 1298 der Hospitalorden der Antoniter. Dieser erweiterte im 14. Jahrhundert sein Gelände bis zur Schildergasse, erbaute die heutige – 1802 von der französischen Besatzung den Kölner Protestanten übergebene – Antoniterkirche und legte die der „Sackbrüder“ nieder. „Aus der Zeit der Antoniter stammt eine ganze Reihe von Gefäßen aus rheinischem Steinzeug“, erläuterte Schmitz. Gefunden habe man sie in einer Latrine des Klosters

An Ort und Stelle wolle die Evangelische Gemeinde Köln einen Teil der antiken Bibliothek und der Funde aus 2000 Jahren Stadtgeschichte bewahren und zeigen, kündigte Pfarrer Markus Herzberg an: „Wir wollen Kulturerbe schützen. Eine römische Bibliothek hat in Deutschland keiner.“ Die Ausstellung mit Fundstücken in der Kirche sei ein erster Schritt hin zu einer größeren, anschaulichen und wertigen Präsentation im Tiefgeschoss sowie im Foyer des neuen AntoniterQuartiers. Im Untergeschoss sollen zwei umfangreiche originale Segmente des Bibliothekfundaments im Fokus stehen. Ein besonders gestalteter Bodenbelag soll den genauen Verlauf des Fundamentes verdeutlichen. Für die Realisierung der Pläne sei man auf finanzielle Unterstützung angewiesen, sagte der Citykirchenpfarrer und warb um Spenden. Ziel für das Spendenprojekt sind  250.000 Euro.

„Wir setzen etwas fort, was wir begonnen haben“, sagte Herzberg und sprach von einer unheimlich guten Zusammenarbeit mit der Kölner Bodendenkmalpflege. Die gemeinsame Reise habe schon in der Planungsphase des Bauprojekts begonnen. Trier bezeichnete den Umgang miteinander als sehr transparent. Je mehr gefunden worden sei, je schwieriger sich die Situation entwickelt habe, desto enger habe man kooperiert. „Die Evangelische Kirchengemeinde Köln und die Stadt Köln sind sich ihrer historischen Verantwortung bewusst“, fasste Trier zusammen. „Wir sind auch auf ein vorbildliches Verständnis für das Denkmal Bibliothek gestoßen“, so der RGM-Direktor. Die notwendig gewordene aufwendige Umplanung sei in beispielhafter Weise vollzogen worden. „Das hat es ermöglicht, Teile des römischen Gebäudes dauerhaft zu erhalten.“ Dies sei nicht die Regel, „im Gegenteil“, formulierte Trier zurückhaltend.

Die Ausstellung in der Antoniterkirche mit den Dauerleihgaben des RGM ist bis zur Eröffnung der Präsentation(en) im Neubau in der Regel täglich geöffnet: montags bis freitags 11 bis 19 Uhr, samstags 11 bis 17 Uhr, sonntags 11 bis 17.30 Uhr.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich