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Aus der alten Heimat vertrieben und in der neuen gut aufgenommen?

„Vertrieben – auf der Flucht – was machen wir?“ war der Titel einer Veranstaltung in der Klettenberger Johanneskirche. Um das Thema von allen Seiten zu beleuchten, waren Betroffene eingeladen, miteinander über ihre Flüchtlingsvergangenheit zu diskutieren.

Flucht – damals und heute
Eberhard Viertel, ehemaliger Pfarrer an der Johanneskirche, berichtete als Zeitzeuge von seiner Kindheit im schlesischen Breslau. „Macht, dass ihr wegkommt“, hieß es im Januar 1945 für die Bevölkerung des vormals deutschen Gebietes. Da seine Mutter gelähmt und der Vater in Gefangenschaft war, konnte die Familie mit drei Kindern dem Aufruf nicht folgen und blieb. Viertel, damals acht Jahre alt, erinnert sich an die Zeit danach nur noch „als eine verdammt harte Zeit, in der die Front einfach über uns hinweggerollt ist“. Fast ein Jahr lang seien sie unter der Herrschaft der Siegermächte absolut rechtlos gewesen, bis sie im April 1946 nach fünftägiger Fahrt im Viehwagen im niedersächsischen Peine als Vertriebene ankamen. Es sollte fast bis 1950 dauern, bis die Familie wieder ein normales Leben führen konnte. „Sehen wir zu, dass keiner mehr vertrieben und als Flüchtling abgelehnt wird“, so sein Kommentar zur aktuellen Flüchtlingssituation.

Roma-Frauen im Land nicht anerkannt
Anders stellt sich die Situation für die 32-jährige Evgenia Georgieva aus Bulgarien dar. Im Gespräch mit Pastorin Julia Strecker erzählte sie, dass Roma-Frauen mit Kindern in ihrer Heimat keine Rechte haben. 2009 sei sie mit Anderen im LKW nach Deutschland gekommen und war gezwungen, in Mülleimern nach Essbarem zu suchen. Heute, fünf Jahre später, spricht sie dank der Sprachkurse und Hilfe des Vereins Rom e.V. gut Deutsch. Obwohl die Anfangszeit hart war, fühlt sie sich hier mittlerweile gut aufgehoben. Dennoch möchte sie im nächsten Jahr zusammen mit ihren drei Kindern wieder zurück nach Bulgarien. Die Heimat sei es, die ihr fehle, das Dorf, wo sie aufgewachsen ist.

Anlaufstellen für Flüchtlinge in Köln
Fachlich wurde die Veranstaltung begleitet von Martina Domke vom Diakonischen Werk Köln und Region, die über langjährige Erfahrung beim Fachdienst Migration verfügt. „Es gibt rund 80 verschiedene Formen von Aufenthaltsgenehmigungen“, sagte sie. Somit gelten bei der Arbeit in der Beratungsstelle immer andere Gesetze für jeden Einzelfall. Auf dieser Grundlage entscheidet sich, ob jemand das Recht auf Sprachkurse hat, der Beruf anerkannt wird oder Familienhilfe gewährt wird. Und ob jemand einen Monat, sechs Monate oder nach Verlängerung unbefristet in Deutschland bleiben darf. Trotz allgemeiner heftiger Kritik an der Situation der Flüchtlinge „ist man in Köln dank des Runden Tisches für Flüchtlingsfragen auf einem guten Weg, tragfähige Lösungen zu erarbeiten“.
Musikalisch abgerundet wurde die Diskussion von Liedermacher Gerd Schinkel aus Lindenthal. Mit seinen Songs „Jenseits der Grenze“ und „Die Route“ bringt er die Probleme heimatvertriebener Menschen präzise auf den Punkt.

Text: Anne Siebertz
Foto(s): Anne Siebertz