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Probe für die Johannes-Passion mit Ulrich Cordes, Robbie Caroll und Prof. Reiner Schuhenn

Johannes-Passion „bespielt“ den ganzen Kirchenraum der Trinitatiskirche

Sie sind die Nachwuchsstars der Zukunft und sie haben sich an eines der ganz großen Werke der Kirchengeschichte gewagt. Am Samstag, 26. Januar, um 19:30 Uhr werden Studierende der Kölner Hochschule für Musik und Tanz in der Kölner Trinitatiskirche, Filzengraben 4, die Johannes-Passion von Johann Sebastian Bach aufführen. Professor Reiner Schuhenn unterrichtet an der Hochschule Chor- und Orchesterleitung und hat für das Werk zahlreiche Solistinnen und Solisten der Gesangklassen sowie den Hochschulchor und das Hochschulorchester zusammengeführt. Dabei geht es ihm nicht nur um eine konzertante Aufführung, vielmehr hat er sich intensiv mit der Trinitatiskirche beschäftigt und ein Konzept erarbeitet, bei dem der ganze Kirchenraum „bespielt“ werden soll.

Johann Sebastian Bach – er zählt heute nicht nur zu den größten Komponisten der abendländischen Kulturgeschichte. Ganz unbestritten ist er der bis in unsere Gegenwart wichtigste Vertreter der protestantischen Kirchenmusik und zugleich der bedeutendste Musiker des Barock. Geboren in Eisenach unweit der Wartburg waren Lüneburg, Weimar, Arnstadt, Mühlhausen, Köthen und Leipzig die wichtigsten Stationen seiner Laufbahn. Mit Ausnahme einer rund sechsjährigen Tätigkeit als Hofkapellmeister in Köthen arbeitete er vornehmlich als Kirchenmusiker, davon immerhin 27 Jahre bis zu seinem Tod 1750 an der Leipziger Thomaskirche. Sein Orgel- und Cembalospiel waren legendär und sein Werkverzeichnis mit Orgel-, Solo-, Kammer-, Orchester- und Chormusik umfasst mehr als 1.000 Opus-Zahlen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die tatsächliche Zahl noch größer ist, da manches seiner Stücke verloren gegangen sein dürfte.

Von seinem späten Ruhm hat Bach zu Lebzeiten recht wenig mitbekommen. Er war bei weitem nicht so berühmt wie seine Kollegen Händel und Telemann und sein Schaffen fand – verglichen mit heute – nur eingeschränkt Beachtung und Würdigung. Hiervon zeugt unter anderem die Tatsache, dass die Bewerbung an die Thomaskirche 1723 durchaus holpernd verlief. Viel lieber hätte man damals den Darmstädter Christoph Graupner auf diese Stelle berufen, da man aber – so sinngemäß der Aktenvermerk des Leipziger Stadtrates – den Besten nicht habe bekommen können, müsse man sich nun mit Bach begnügen. Das von Bach in Leipzig über fast drei Jahrzehnte inszenierte kirchenmusikalische Leben darf man sich durchaus reichhaltig und auf hohem Niveau vorstellen. Exzellente Orgelmusik, wöchentliche Kantatenaufführungen, große Passionen, Oratorien und Motetten waren in den Gottesdiensten die Regel. Viele dieser Kirchenkompositionen sind so komplex und anspruchsvoll, dass sie heute nur von herausragenden Chören gesungen werden können und oftmals nur noch in Konzerten zu hören sind.

Zu Bachs zentralen Vertonungen der biblischen Leidensgeschichte Christi zählt die Johannes-Passion, die er 1724 für den Karfreitags-Gottesdienst verfasste. Das rund zwei Stunden dauernde Werk für Solisten, Chor und Orchester schildert in Rezitativen, Arien, Chorälen und Chören anschaulich und zugleich dramatisch die Kreuzigungsgeschichte. Bach selbst bearbeitete sein Werk immer wieder. Im Laufe der Jahre entstanden verschiedene Fassungen, die letzte, vierte schrieb Bach in seinem letzten Lebensjahr 1749. Diese ist es, die am Samstag aufgeführt wird.

Chor- und Orchester agieren im Altarraum, die biblischen Tenor-Rezitative werden von der Kanzel gesungen und die vielen Solisten werden im ganzen Kirchenraum verteilt und teilweise auch aus dem Publikum heraus singen. Dies verspricht eine besonders eindrückliche und theatralische Wirkung. Man kann ohne Übertreibung sagen: Reiner Schuhenn ist als Hochschullehrer für die Kölner Musikhochschule ein großer Gewinn, legt er sein Augenmerk seit Jahren auch auf die Pflege der großen kirchenmusikalischen Werke. Seine Studierenden mit diesen Kompositionen zu konfrontieren, ist ihm ein Herzensanliegen. Und so erwartet alle Beteiligten am 26. Januar ein herausragender Abend in der Trinitatiskirche: Für die Studierenden, die ein großartiges Werk einstudiert haben und aufführen werden genauso wie für das Publikum, das Bachs Musik in einem beeindruckenden Kirchenraum unmittelbar und berührend wird hören und sehen können. Und das Ganze, wie es sich für ein Hochschulkonzert gehört, auf hohem Niveau und bei freiem Eintritt. Eben wie zu Bachs Zeit, als Stücke wie die Johannes-Passion Teil der gottesdienstlichen Verkündigung waren.

Text: Wolf-Rüdiger Spieler
Foto(s): Wolf-Rüdiger Spieler