Besser könnten zwei Anlässe zum Feiern kaum zusammenpassen: das Erntedankfest und die Entpflichtung von Pfarrer Jürgen Manderla, der im Rahmen der SOnntag mal ANDERS-Gottesdienste in der Andreaskirche (Voiswinkler Straße 40) in den Ruhestand verabschiedet wurde – auch wenn dieser bescheiden anmerkte, er sei „nicht der Hauptanlass, aus dem wir heute hier sind“. Die Kantorei eröffnete den Nachmittag musikalisch mit „Rejoyce to the Lord“.
In seiner Predigt nahm Jürgen Manderla den eher ungewöhnlichen Lesungstext aus dem Buch Jesaja (Jesaja 28, 23-29) auf. „Das ist Landwirtschaft pur!“, merkte er an. Hier werde eine allgemein bekannte Tatsache auf den Punkt gebracht: „Erst die Saat, dann die Ernte.“ Was gesät wurde, brauche viel Zeit und mit dem Saatgut müsse man „umsichtig, vorsichtig und weitsichtig“ umgehen, denn: „Jedes Korn bedeutet (über)leben.“ Angesichts dessen sei es umso unverständlicher, dass in Deutschland etwa 11 Mio. Tonnen Lebensmittel (ca. 80 kg pro Person) weggeworfen würden.
Der Prophet Jesaja ziehe aus seinen Beobachtungen einen ungewöhnlichen Schluss: Sein Wissen hat der Bauer von Gott. In der von staatswegen atheistischen DDR war man hingegen davon überzeugt, ganz ohne höheren Beistand auszukommen, getreu dem Slogan: „Ohne Gott und Sonnenschein fahren wir die Ernte ein.“ Dem setzte der Theologe und Bürgerrechtler Oskar Brüsewitz entgegen: „Ohne Regen, ohne Gott, geht die ganze Welt bankrott“, bevor er sich am 18. August 1976 in einer verzweifelten Widerstandstat gegen das SED-Regime selbst verbrannte.
„Gottesdienst ist der Ort, wo wir die Gottesbrille aufsetzen“
In Bezug auf die kleine „Publikumsbefragung“ zu Beginn des Gottesdienstes sagte Manderla: „Gottesdienst ist der Ort, wo wir die Gottesbrille aufsetzen.“ Dort müsste man sich immer wieder fragen lassen: „Glaubt ihr selber, was ihr da sagt?“ Statt allzu selbstsicherer Selbstgenügsamkeit plädierte Manderla für eine „zweifelnde, fragende, sorgende Kirche“.
Das Gleichnis des Jesaja sei ein Gleichnis für Gott selbst. Gott selbst habe seine Rhythmen und es sei ein „Mustergleichnis“, z. B. für Jesu Gleichnis vom Sämann. Das Bild vom Säen und Ernten bezog Jürgen Manderla aber auch auf sein eigenes Berufsleben: Er habe drei Gemeindeäcker „bearbeitet“.
Anschließend berichteten zwei Damen aus der Gemeinde von Situationen, in denen sie das Gefühl hatten, eine „Ernte“ einfahren zu können. Die erste erzählte von einem wenig ansehnlichen Mann, der sie in der Schlange vor einer Arztpraxis ansprach und sagte: „Sie sind die Erste, die mich heute angesehen hat!“ Eine Grundschullehrerin schilderte, wie sie einen ehemaligen Schüler, einen sehr ehrgeizigen und willensstarken Jungen aus prekären Verhältnissen, zufällig auf einer Abiturfeier wiedertraf und dieser nicht nur das Abitur mit Auszeichnung bestanden, sondern zudem den deutschen Preis für Physik erhalten hatte.
„Kann es einen schöneren roten Faden geben?“, fragte Assessorin Kerstin Herrenbrück – und meinte damit die sich geradezu aufdrängende Analogie zwischen der Ernte in der Landwirtschaft und der „Ernte“ am Ende eines langen Berufslebens als Gemeindepfarrer. Bevor sie schließlich die Entpflichtung vornahm, warf sie noch einmal einen Blick zurück. Am 17. August 1986 wurde Jürgen Manderla ordiniert. Nach Stationen im hessischen Wißmar und in Quadrath-Ichendorf trat er am 15. November 2016 seinen Dienst in Schildgen an, wo er lange gemeinsam mit seiner Frau Eva die 2. Pfarrstelle innehatte. Gerade in solch schwierigen Zeiten (globale Krisen, Mitgliederschwund, ForuM-Studie, …) sei es sicher eine Herausforderung, nicht mehr aktiv dabei sein zu können.
„So liebevoll bedacht und vielfältig gesegnet lässt es sich gut in einen neuen Lebensabschnitt gehen!“
Unter denjenigen, die Jürgen Manderla nach der Entpflichtung Segensworte zusprachen, waren auch seine Kinder Judith und Simon, die beide ebenfalls den Weg in den Pfarrdienst gegangen sind, und Kerstin Herrenbrück fand: „So liebevoll bedacht und vielfältig gesegnet lässt es sich gut in einen neuen Lebensabschnitt gehen!“
Nach einem weiteren Auftritt der Kantorei mit dem Segenslied „The Lord bless you and keep you“ führte die Geschichte von der Fiedelgrille und dem Maulwurf (Janosch) den Besuchenden anschaulich vor Augen, dass der Wert einer Tätigkeit nicht immer ökonomisch bestimmt werden kann.
In Anschluss an den Gottesdienst, an dem auch der Superintendent des Kirchenkreises Köln-Rechtsrheinisch Torsten Krall teilnahm, warteten auf die Gäste Kaffee und Kuchen mit „musikalischer Untermalung“ sowie die Gelegenheit zu einigen persönlichen Grußworten.
Foto(s): Priska Mielke