Warum ist das Erntedankfest so beliebt? Eine Spurensuche in der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Zollstock brachte Aufschluss. Pfarrer Gerhard Johenneken braucht nicht lange nach einer Antwort auf diese Frage zu suchen. „Erntedank ist ein sehr sinnliches Fest, fast so wichtig wie Weihnachten. Der Altar ist an diesen Tagen reich geschmückt, es gibt etwas zu sehen und zu begreifen, Erntedank ist ein schönes – ja, auch ein sentimentales Fest.“
Vor allen Dingen ist es auch ein Familienfest mit langer Tradition. Aus diesem Grund entscheiden sich viele Gemeinden – wie auch die von Gerhard Johenneken – Erntedank gleich an zwei Sonntagen hintereinander zu feiern: als Familiengottesdienst und als Gottesdienst mit Abendmahl.
Lebenszyklen begreifen
„Der Familiengottesdienst ist elementarer, fröhlicher und wird bei uns von den Kindern des benachbarten evangelischen Kindergartens mitgestaltet“, so Johenneken. Unter dem Motto „Die Zeit ist reif, zu ernten und zu danken“ haben die Kinder im Vorfeld des Gottesdienstes ein Fotoprojekt im Obstgarten gemacht. Woran kann man erkennen, dass die Frucht einer Pflanze, eines Baumes reif ist? Was heißt eigentlich „reif“? Unter dieser Fragestellung haben die kleinen „Fotografen“ ihre Werke per Beamer im Gottesdienst am letzten Sonntag in der Melanchthonkirche präsentiert und auch erläutert.
Die Kinder miteinbeziehen
Für Johenneken ist es wichtig, schon die Kleinsten miteinzubeziehen. „In unserer Stadtkultur spielt die Landwirtschaft kaum mehr eine Rolle. Wir kaufen unsere Äpfel im Supermarkt und haben kein Gespür mehr dafür, wann und wie Dinge reif werden. Wie die Ernte wird, hängt nicht nur von unserer eigenen Leistung ab, sondern von Wind und Wetter. Und dafür danken wir Gott.“ Die Generalprobe mit den Kindern fand deshalb auch in der Kirche statt. Der Bezug zwischen Erntedank und Gott wird so deutlicher. Eine Prise Humor braucht der Pfarrer trotzdem. „Als ich meinen Talar anzog, haben die Kinder gewitzelt: „Du siehst ja wie eine Fledermaus aus!“ Sein vermeintliches „Kostüm“ habe die Kinder aber eher beflügelt, berichtet Johenneken augenzwinkernd. „Laut und schön“ hätten sie das Erntedanklied im Familiengottesdienst mitgesungen.
Erntedank heißt auch Teilen
Für den Seelsorger hat Erntedank jedoch noch eine weitere Komponente: das Teilen. Angesichts der zahlreichen Flüchtlinge, die gerade nach Deutschland kommen, hat die Gemeinde spontan die Kollekte umgewidmet. Diese war ursprünglich für die Restaurierung der Orgel gedacht. „Uns geht es so gut hier, da müssen wir ein Zeichen setzen“, befand der Pfarrer. Über 500 Euro Spenden kamen zusammen. „Das war ein echtes Statement! Und dazu noch das tolle Wetter, das anschließende Beisammensein – so konnten wir einen sehr schönen ersten Teil des Erntedankfestes feiern“, freut sich der Pfarrer.
Zweiter Teil am 4. Oktober
Am kommenden Sonntag, 4. Oktober, 10 Uhr, lädt die Gemeinde zum „zweiten Teil“ der Erntedankfeierlichkeiten ein. In der Melanchthonkirche in Köln-Zollstock findet ein Erntedankgottesdienst mit Abendmahl statt, der musikalisch vom Melanchthon-Frauenchor begleitet wird.
Foto(s): APK