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Von links: Dr. Martin Bock, Leiter der Kölner Melanchthon-Akademie, Dr. Bernhard Seiger, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Köln-Süd, Weihbischof Rolf Steinhäuser, Manfred Rekowski, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Hannelore Bartscherer, ehemalige Vorsitzende des Katholikenausschusses in der Stadt Köln, und Norbert Bauer, Leiter der Karl-Rahner-Akademie

„Auf Biegen und Brechen gemeinsame Sache machen“ – Präses Rekowski nennt Ungeduld in der Ökumene Pflicht

Das Reformationsjubiläum 2017 war stark durch ökumenische Impulse geprägt. Das Gemeinsame der Evangelischen und der Katholischen Kirche sollte im Vordergrund stehen. „Das Reformationsjubiläum 2017 – und was ihm folgte“, lautete der Titel eines ökumenischen Podiumsgesprächs in der Kölner Karl-Rahner-Akademie. Ein Jahr nach dem Reformationsjubiläum zogen Manfred Rekowski, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, der Kölner Weihbischof Rolf Steinhäuser, Hannelore Bartscherer, langjährige Vorsitzende des Katholikenausschusses in der Stadt Köln, und Dr. Bernhard Seiger, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Köln-Süd, eine Bilanz. Das Gespräch moderierten Dr. Martin Bock, Leiter der Kölner Melanchthon-Akademie, und Norbert Bauer, seit September Leiter der Karl-Rahner-Akademie.

Einig war sich die Runde, dass Evangelische und Katholische noch mehr gemeinsame Aktivitäten starten sollten, um sich noch besser kennen zu lernen. Steinhäuser brachte es auf den Punkt: „Je mehr Evangelische ich mag, umso besser für die Ökumene.“ Angesprochen auf den Ökumenischen Kirchentag 2021 in Frankfurt erwartet der Weihbischof nicht viel: „Wir wollen miteinander feiern. Theologische Ergebnisse werden wir da nicht haben.“ Dem widersprach der Präses: „Einfach zu sagen ,Das ist so. Warten wir mal ab‘ ist unangemessen. Die ökumenische Ungeduld ist für uns Pflicht. Wir müssen so viel wie möglich miteinander tun und angemessen reagieren auf das Leben der Christinnen und Christen.“

Dr. Seiger rief dazu auf, „dem ökumenischen Dialog etwas zuzutrauen und zu schauen, was möglich ist, auch im ökumenischen Dialog über die Bibel. Wahrheit und Klarheit der Bibel wird sich am Ende durchsetzen.“ Dr. Seiger schlug vor, dass gerade aus den deutschen Kirchen verstärkt Impulse für den ökumenischen Dialog kommen müssten, weil dort schließlich die Reformation stattgefunden habe. Die Evangelischen hätten beim Reformationsjubiläum erkannt, dass sie dieses Fest ökumenisch andenken konnten. Die ökumenische Vesper im Altenberger Dom habe gezeigt: „Die Kirchen müssen sich alle ständig erneuern. Dahinter können wir nicht mehr zurück.“ Rekowski erinnerte sich an einen ökumenischen Gottesdienst im vergangenen Jahr in Essen: „Da gab es für den Satz ,Uns verbindet mehr als uns trennt‘ tosenden Applaus. Da gibt es unter den Menschen eine große Sehnsucht nach Einheit. Es gibt ja die Ökumene der Herzen und die Ökumene der Schmerzen.“

In den Gemeinden spielten die konfessionellen Unterschiede eigentlich keine Rolle mehr, berichtete Hannelore Bartscherer. Dass katholische und evangelische Christinnen und Christen gemeinsam das Abendmahl feierten, sei Normalität. Welcher Gottesdienst besucht werde, hänge ab von der Atmosphäre, der Musik und der Predigt und nicht von der Konfession des Pfarrers oder der Pfarrerin. „Das Miteinander der Christen und Christinnen hat sich an der Basis unglaublich entwickelt. Ich vertraue auf das Wirken des Heiligen Geistes, der uns die Kraft gibt, das Trennende zu überwinden.“

Noch mehr gemeinsame Ausschüsse oder Gesprächskreise lehnt Weihbischof Steinhäuser ab. „Die Leute haben die Gremien satt. Wir haben ja schon jetzt große Schwierigkeiten, Kandidaten für die Kirchenvorstände und die Pfarrgemeinderäte zu finden. Im Übrigen verwenden wir schon jetzt unheimlich viele Kräfte darauf, den Betrieb aufrecht zu erhalten. Der Wunsch der Selbstbewahrung ist so groß, dass man alle Energien darein steckt. Aber seien wir ehrlich: Es wird uns nicht gelingen, die heutige soziale Gestalt von Kirche in die nächste Generation zu retten. In unserer Kirche sind viele nicht bereit, den Blick zu weiten.“ „Ich finde es ganz prima, wie ehrlich Sie sprechen“, antwortete Dr. Seiger dem Weihbischof. „An vielen Stellen sind wir an die die Grenzen des Machbaren gekommen. Ehrlichkeit ist die Voraussetzung dafür, dass wir uns gemeinsam an das herantasten, was geht.“

Auch der Präses mischte sich ein: „Die Geschichte vom Aufbruch Abrahams ist eine der beliebtesten in den Gemeinden. Beton anrühren ist eine der beliebtesten Taten.“ Rekowski nannte als Gegenbeispiel eine evangelische Gemeinde in Mettmann, die ihr Gemeindezentrum aufgebe und in Zukunft ihre Gottesdienste in der katholischen Nachbargemeinde feiere. Seiger erinnerte daran, dass erstmals seit Beginn der Zählungen die Quote der evangelischen und katholischen Christen und Christinnen in Köln unter 50 Prozent liege. Auch dieser Umstand rufe zur intensiveren Zusammenarbeit auf. Präses Rekowski verwies auf eine Grundschule in Wuppertal, in der im Sommer 53 Schülerinnen und Schüler eingeschult wurden. Drei von ihnen waren evangelisch, zwei katholisch. Da müssen wir uns ökumenisch an die Decke strecken. Da müssen wir auf Biegen und Brechen gemeinsame Sache machen.“

Auch die schwierigen Themen ließ man nicht außen vor. Dr. Bock, selbst konfessionsverschieden verheiratet, ist vom Reformationsjubiläum enttäuscht, weil sich in Sachen gemeinsame Eucharistie der Ehepartner nichts bewegt habe. „Das, was zu Hause geschieht, ist ja auch eine kleine Kirchengemeinschaft. Im Moment läuft es ja so: Die Ehepartner gehen gemeinsam zur Eucharistie und die Kirchenleitung schaut nicht hin.“ Steinhäuser verwies auf ein Papier der Deutschen Bischofskonferenz, das evangelischen Ehepartnern oder Ehepartnerinnen die katholische Eucharistie erlaubt sei, wenn sie sich in seelischer Not befänden. „Das ist nicht reziprok gedacht“, kritisierte der Weihbischof das Papier und sprach von „katholischem Imperialismus“. Das sei der Versuch gewesen, „den Evangelischen  von hinten durch die Brust ins Auge unser Theorieverständnis aufzudrängen“. Dass es auch anders gehe aber lange dauere, sei nun mal so. „Aber 1999 hat die westliche Christenheit eine gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre unterschieben.“ Hannelore Bartscherer wollte die Dinge nicht immer „so hoch hängen“: „Viele in den Gemeinden verstehen diese tiefgründigen theologischen Probleme gar nicht. Die machen einfach, was sie in der Ökumene für richtig halten. Gut so.“

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann