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„Ambulant vor stationär“: Zur Zeit leben immer mehr Pflegebedürftige in einem Heim. Das müsse sich ändern, forderte die NRW-Vorsitzende des Sozialverbands Deutschland

Der Sozialverband Deutschland hat die deutliche Zunahme stationärer Behandlungen pflegebedürftiger Menschen kritisiert. meldete der epd-west. Bei einer Tagung in Köln betonte die NRW-Landesvorsitzende des Verbandes, Marianne Saarholz, zwischen 1999 und 2005 sein die Zahl der Pflegebedürftigen in vollstationärer Dauerpflege an Rhein und Ruhr um über 12.000 Menschen angestiegen. Gleichzeitig sei die Zahl der Pflegebedürftigen, die zu Hause leben, im gleichen Zeitraum um rund 22.000 Personen zurück gegangen. Dies sei „keine Schwankung, sondern ein Trend, der sich von Jahr zu Jahr weiter fortsetzt“, bedauerte Saarholz.

Lebte Mitte der 90er Jahre jeder vierte Pflegebedürftige im Heim, so ist es nach Angaben des Verbandes heute bereits jeder dritte. Diese Entwicklung zeichne sich nicht nur in NRW ab, sondern zeige auch im Bundesgebiet in die gleiche Richtung, erklärte Saarholz vor rund 200 Teilnehmern der Fachtagung „Daheim statt Heim“.

Nach Angaben des Sozialverbandes wird die häusliche Pflege mit professioneller Unterstützung derzeit in Deutschland nur von einem knappen Drittel der zu Hause Gepflegten in Anspruch genommen. Notwendig sei besonders für die wachsende Zahl allein stehender Pflegebedürftiger „ein tragfähiges Unterstützungsangebot“, das sie in die Lage versetzt, in den eigenen vier Wänden wohnen bleiben zu können. „Sonst werden noch mehr Menschen nur deshalb ins Heim ziehen müssen, weil die ambulanten Hilfen nicht ausreichen,“ sagte Saarholz.

Die NRW-Vorsitzende des Sozialverbandes Deutschland sprach sich zudem für die flächendeckende Schaffung bezahlbaren barrierefreien Wohnraums im normalen Wohnungsbestand und für neue Formen des selbstbestimmten gemeinschaftlichen Wohnens aus. „Es darf nicht sein, dass Menschen nur deshalb ins Heim müssen, weil ihre Wohnung und ihr Wohnumfeld ein Leben mit Pflege zu Hause nicht möglich macht,“ betonte Saarholz weiter. Nach ihren Worten waren Mitte 2006 noch etwa zwei Drittel der Menschen mit Behinderungen in Heimen untergebracht. Ende 2004 seien es noch drei Viertel der Betroffenen gewesen. Insgesamt habe jedoch nur ein Bruchteil der Menschen mit Behinderungen tatsächlich eine Chance, selbstbestimmt in ambulant betreuten Wohnformen zu leben, bedauerte die Expertin.

Saarholz plädierte zum Auftakt der Veranstaltung für eine Trendwende und den Durchbruch für „ambulant vor stationär“. Um das zu erreichen, müssten sich Bestrebungen zur Ambulantisierung gezielt auf Betroffene mit hohem Unterstützungsbedarf ausrichten. Wenn es gelinge, für diesen Personenkreis praktikable Alternativen selbstbestimmten normalen Wohnens in Gemeinden und Wohnquartieren aufzubauen, dann würden diese Wohnmöglichkeiten erst recht für Menschen mit geringem Hilfebedarf tragfähig sein.

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