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Alte Kunst neu entdeckt: „Liturgische Zeitansage“ mit farbigen Paramenten. Der Katalog zur Schildgener Ausstellung „FARBwechsel“ illustriert sie

Die Malerin Claudia Betzin und der Stoffkünstler Thomas Schmitt haben einen Zyklus von 9 Gemälden und 25 Paramenten entwickelt, die sich auf den Raum der Evangelischen Andreaskirche in Bergisch Gladbach-Schildgen beziehen. Diese Arbeiten thematisieren die sechs Farben des Kirchenjahres: rot, weiß, grün, violett, rosa und schwarz. Der Schildgener Ausstellungszyklus FARBwechsel begann Pfingsten 2006, seitdem werden die Bilder und Paramente entsprechend der jeweiligen Kirchenjahreszeit in der Andreaskirche ausgestellt und getragen, begleitet von zahlreichen Veranstaltungen bis hin zu einem eigenen Konzertprogramm, mit dem die Kölner Kantiorei unter Leitung von Kirchenmusikdirektor Volker Hempfling die Ausstellung begleitet. Nun ist der Katalog „FARBwechsel“ erschienen.


„Kunst der Paramentik“?!
Viele evangelische Kirchen haben mittlerweile entdeckt, wie spannend die Auseinandersetzung mit Kunst sein kann. Oft sind es zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler, die Bilder Skulpturen in Kirchen ausstellen, manchmal mit inhaltlichem oder regionalem Bezug zur Kirche, manchmal mit einem Thema, das sich im weitesten Sinn mit Kirche assoziieren lässt. Erstaunlich aber ist, dass die „originäre“ Kirchenkunst dabei in der Regel völlig unbeachtet bleibt. Damit sind weder Kreuz- noch Christusdarstellungen gemeint – die es ja durchaus auch außerhalb von Kirchenräumen zu sehen gibt, etwa in Museen oder an Wegkreuzen – nein, gemeint ist etwas, das viele Menschen noch nicht einmal (mehr) dem Namen nach kennen: Die Kunst der Paramentik. Das Wort leitet sich aus dem lateinischen „parare – sich rüsten“ ab und Paramente definiert das Kunstlexikon von P.W. Hartmann so: „Bezeichnung für liturgische Gewänder und andere beim Gottesdienst verwendete Textilien (Altartuch, Kanzelbehänge usw.) Die Paramente sind oft hervorragende Beispiele christlichen Kunsthandwerks.“ Im Gegensatz zu allen anderen Kunstformen sind Paramente also ausschließlich innerhalb einer Kirche, im Bezug zu Liturgie und dem Gottesdienstgeschehen denkbar, also eine ganz und gar originäre Form von Kirchen-Kunst.

Wer verwendet eigentlich heute noch Paramente?
Martin Evang hat mit Bezug auf die Schildgener Ausstellung für die Landeskirche eine Umfrage gestartet: Welche Gemeinden benutzen in welcher Form heute noch Paramente? Von denen, die antworteten, waren es – wie zu erwarten – vor allem die Gemeinden lutherischen Bekentnisses (aber durchaus auch einige reformierte), die ihre Paramente nicht wie andere im Zuge der Kirchenrenovierung „ausgemustert“ haben, sondern sie gemäß der „liturgischen Zeitansage“ noch immer verwenden, am häufigsten in Form von Altar- und Kanzelbehängen.

Die liturgischen Farben
Dazu muss man wissen: Dem ganzen Kirchenjahr sind liturgische Farben zugeordnet: Violett vom Ersten bis Vierten Advent, Weiß von Heilig Abend bis Epiphanias, von Aschermittwoch bis Palmsonntag wieder Violett, von Ostern bis Exaudi wieder Weiß, an Pfingsten, den Apostel- und Evangelistentagen Rot und an allen anderen, den sogenannten „ungeprägten Sonntagen“, vor allem der Trinitatiszeit, Grün. Zwei Besonderheiten bilden die Farben rosa und schwarz: „freuet euch“, ist die Aufforderung der Sonntage Gaudete (in der Adventszeit) und Lätare (in der Passionszeit) – ihnen ist die liturgische Farbe rosa zugewiesen. Und nur der Karfreitag ist schwarz. Dieses alte Wissen um die liturgischen Farben wird – laut der Umfrage – in den evangelischen Kirchen im Rheinland häufig in der Konfirmandenarbeit thematisiert, sonst sind es eher die Küsterinnen und Küster oder ehrenamtlich tätige Menschen, die dem Thema Aufmerksamkeit schenken.

Paramentik – eine echte Kunst
Der Kunst-Aspekt der Paramentik scheint heutzutage nicht mehr so sehr im Vordergrund zu stehen, dabei gab es – beispielsweise mit Kurt Wolff und seiner Paramentik-Werkstatt in der Kaiserswerther Diakonie – wirklich berühmte Künstler dieser christlichen Stoff-Kunst, die eine erstaunliche Bandbreite an Werken geschaffen haben. Doch möglicherweise sind wir zur Zeit mitten in einem Umbruch, in dem gerade evangelische Kirchen dieses alte Wissen um die Farbe wieder entdecken. Christoph Nötzel ist Pfarrer der evangelischen Andreaskirche in Schildgen – und er hat diesen Sinneswandel ausgemacht: „Stolen, Caseln und Paramente finden in den evangelischen Landeskirchen, insbesondere in lutherischer Tradition, wieder häufiger Verwendung, nachdem sie im Zuge der Aufklärung aus den evangelischen Kirchenräumen im deutschen Sprachraum verdrängt wurden“, schreibt er im Vorwort zu dem von ihm herausgegebenen, schönen Bildband, der ein wichtiges Kunst-Projekt der Schildgener Andreaskirche dokumentiert – das uns bis zum 31. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Köln 2007 begleiten wird.

Das Projekt: ein Dialog auf vielen Ebenen
„FARBwechsel“ heißt die Ausstellungsreihe. Sie erschließt die liturgischen Farben als Ausdruck des Glaubens und gestalteter Spiritualität im gottesdienstlichen Raum. Mit dem Projekt „FARBWECHSEL“ treten die Malerin Claudia Betzin und der Stoffkünstler Thomas Schmitt mit insgesamt 36 Kunstwerken in einen Dialog: miteinander, mit dem Kirchraum, mit den Gottesdienstbesuchern und dem Pfarrer, dessen Stola immer in den Farben der „liturgischen Zeitansage“ ebenfalls Teil des Kunstprozesses ist. In Dialog miteinander treten natürlich auch die beiden Grund-Kunstformen des Projekts: „Bild und Parament verstehen sich dabei nicht funktional zueinander, sondern versuchen mit ihren jeweiligen Mitteln, in der Tiefe der Farbe das Mysterium zu ertasten und durchscheinend zu machen, das im liturgischen Vollzug hörbar wird“, schreibt Nötzel. Und weiter: „FARBwechsel ist ein Kunstprojekt im und für den Gottesdienst. In der liturgischen Feier der Feste haben die Bilder und Paramente ihren gegebenen Kontext. Die Realisierung des Projektes über ein Jahr trägt dem Rechnung: die Zeit, die Bewegung, der Raum, die liturgische Feier schenken Bilder und Paramenten zusätzliche Dimensionen auch der ästethischen Wahrnehmung. Zu fröhlichen und zu traurigen Anlässen, an Weihnachten, Ostern oder in einem einfachen Gottesdienst im Sommer, werden die Werke von den Besuchern immer wieder neu wahrgenommen, betrachtet, auch meditiert.“ Je nach Kirchenjahreszeit werden die Arbeiten an unterschiedlichen Orten innerhalb des Kirchenraumes ausgehangen. So treten Gottesdienst und Kirchenjahr als weitere Dialogpartner ins Gespräch.

Die Künstler
„Thomas Schmitt versteht seine Paramente, die für diesen 26teiligen Zyklus als Einzelstücke entworfen, realisiert und installiert werden, als Bilder in Bewegung, Bilder im liturgischen Gebrauch, Bilder im Raum von Gottesdienst und Kirche, die auf ihre Weise die Herrlichkeit Gottes loben und preisen“, steht im Katalog. Schmitt wurde 1966 in Trier geboren, machte 1987 seinen Abschluss der Lehre zum Herrenschneider in Neuwied, begann 1989 als Kostümschneider bei den Bühnen der Stadt Köln; seit 2003 Werkstatt für Paramente und Kirchenbedarf in Bergisch Gladbach/Herkenrath.

„Thema, beziehungsweise Motiv der Arbeiten von Claudia Betzin sind die jeweiligen Farben und ihre symbolische Bedeutung. Künstlerische Idee ist, die Vielfältigkeit an Ausdrucksmöglichkeiten einer Farbe einzufangen und auch den Doppelaspekt, die Dialektik in der symbolischen Bedeutung von Farbe mit einzubeziehen. Die 10 Bilder verstehen sich als geschlossener Zyklus in innerer Bezüglichkeit.“
Betzin wurde 1961 in Köln geboren, hat unter anderem bei Professor Lázlo Lakner, Per Kirkeby und Wolf Vostell Kunst studiert.

Der Katalog
kostet 14,80 bzw. 18 Euro einschließlich Versandkosten (vorab). Er kann erworben werden bei: Evangelische Kirchengemeinde Altenberg/Schildgen, Schüllenbusch 2, 51467 Bergisch Gladbach, Telefon 02202/83124; Fax: 02202/84620; e-mail: buero@andreaskirche-schildgen.de . Überweisung auf: Kreissparkasse Köln Konto. 0311020915, BLZ 37050299, Kennwort: Farbwechsel.
Die Anschaffung lohnt sich – nicht nur zu Weihnachten und auch nicht nur wegen der zahlreichen farbigen Abbildungen, die einen guten Eindruck von der Plastizität des Projekts geben. Nicht nur, denn auch die Texte sind lesenswert – vor allem für Menschen, die die liturgischen Farben, ihre sinnlich-emotionale Bedeutung, ihre theologische Aussagekraft und ihre künstlerischen Möglichkeiten aus dem Auge verloren haben.

Ausblick: Das Projekt FARBwechsel auf dem DEKT
Das Geleitwort des Katalogs stammt von Präses Nikolaus Schneider und er beschreibt unter anderem, was wir im nächsten Jahr von diesem Projekt zu erwarten haben: „Ich freue mich besonders, dass die Bilder und Paramente während des 31. Deutschen Evangelischen Kirchentag im Juni 2007 in Köln in der evangelischen Antoniterkirche und der katholischen Kirche St. Aposteln ausgestellt und durch ein pädagogisch-liturgisches Angebot erschlossen werden sollen – ein starker ökumenischer Akzent mitten in der kirchlichen und kulturellen Metropole Köln.“

Text: AL
Foto(s): Evangelische Andreaskirche Schildgen