Viele Gemeindemitglieder und auch viele Gäste waren in der Heilig-Geist-Kirche in Bergisch Gladbach versammelt, als der imposante Chor sich vor der Gemeinde aufstellte und den Gottesdienst mit einem eingängigen Gesangsstück eröffnete. Pfarrer Carsten Bierei begrüßte anschließend alle Gäste auch aus der katholischen Kirche und freute sich besonders, mit Pfarrer Rainer Fischer, evangelischer Seelsorger am EVK, den Gottesdienst zu gestalten. Als Gastprediger war Pfarrer Dr. Michael Haarmann, Leiter der Evangelischen Hauptstelle der Familien- und Lebensberatung im Rheinland, mit dabei. Ein besonderer Dank galt den Chören der evangelischen Kirchengemeinde Bergisch Gladbach unter der Leitung von Joanna Lenk und Dr. Norbert Bolin.
Was ist uns verloren gegangen?
„Wir haben die schnellsten Verbindungswege unserer Zeit, aber die Einsamkeit nimmt zu. Wir haben beste technische Möglichkeiten, aber immer weniger Zeit. Wir wissen immer mehr über Kommunikation, verstehen uns aber immer weniger.“ Pfarrer Fischer stellte die Frage: „Was ist und verloren gegangen? Barmherzigkeit und Solidarität nehmen immer weiter ab.“
„Ich teile diese Sorgen“, stimmte Pfarrer Bierei zu. „Heute sind allerdings wohl ausnahmslos Menschen versammelt, die diese Sorgen auch teilen. Ihnen wollen wir Mut machen.“ Dazu diene die Jahreslosung der Kirche, die auch diesen Gottesdienst bestimmt: „Alles, was Ihr tut, geschehe in Liebe.“ Das wurde auch im Psalmgebet berücksichtigt: „Vieles, was wir tun, geschieht nicht in Liebe, wir werden selbstgerecht. Wir bitten Gott, dass dieser Gottesdienst ein Fest der erneuerten Liebe wird.“
Auch die Lesung befasste sich mit dem Thema Liebe und nahm Bezug auf den ersten Korintherbrief. „Ohne Liebe bin ich nichts, egal was ich tue, ohne Liebe hat alles keinen Sinn. Die Liebe ist zuverlässig, will nicht beherrschen, ist nicht egoistisch, sie freut sich mit anderen an der Wahrheit. Die Liebe gibt niemals auf. Als Kind redete und dachte ich wie ein Kind. Als Erwachsener ließ ich das zurück.“
Alles tun mit Liebe – ist das zu viel?
„Wir blicken gerade in Abgründe, wir erleben Umbrüche und Abbrüche – wie passt das zur Jahreslosung?“ Pfarrer Haarmann kam gleich zur Sache, als er die sexuelle Gewalt in der Kirche ansprach. „Das ist eine menschliche und theologische Katastrophe, das widerspricht allem, was mit Liebe zu tun hat.“ Liebe sei in erster Linie Beziehungsfähigkeit, kein Gefühl. Damit interpretiert er den Korintherbrief von Paulus: „Paulus geht es nicht um jedes einzelne Tun, sondern um die Grundlage.“ Die Liebe solle die Grundlage für all mein Tun sein. Paulus habe gegen die Lieblosigkeit zu seiner Zeit angeschrieben, die Reichen hätten geschlemmt, die Armen seien hungrig geblieben. „Menschen sollen ausgegrenzt werden, es wird ein Gegeneinander aufgebaut.“ Die Kirche sei weit vom Ziel des Paulus entfernt. „In den aktuellen Krisen erleben wir unsere Ohnmacht. Das Geschehen ist weit entfernt, aber es erschüttert uns zutiefst.“ Darauf gebe es keine einfache Antwort. „Als Christen müssen wir sagen, was unsere Kraftquelle ist. Als Beispiel kann man Ostern sehen: Karfreitag scheint die Gewalt zu siegen, Ostern wendet Gott die Geschichte, Gottes Liebe siegt über die Gewalt.“ Paulus mahne uns alle zur Wachsamkeit: „Gebt die Welt nicht auf. Haltet fest an Gottes Liebe. Wir übertragen Paulus mit unserer Jahreslosung in unsere Zeit.“
Nach einem Abschlussgebet leitete der Chor zum Segen über, bevor man sich im Foyer zum Jahresempfang traf und viele Gedanken aus diesem Gottesdienst aufnahm, um sich auszutauschen.
Foto(s): Dr. Klemens Surmann