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Pfarrerin Dagmar Schwirschke arbeitet im Amt für Gehörlosenseelsorge

Allerhand Alltagsgeschichten über Grenzen und Mauern in unseren Herzen

Auf den griechischen Inseln Samos, Leros, Lesbos, Chios gibt es ca. 210.000 Einheimische und aktuell mehr als 42.000 Flüchtlinge und Migranten. Und es werden täglich mehr! Schlafplätze, Toiletten und Duschen gibt es aber nur für 6200 Menschen. Es ist eine humanitäre Katastrophe die kein Ende nimmt. Dagmar Schwirschke erinnert sich, als sie mit Freundinnen in ihrer Jugendzeit die Inseln bereiste, „Inselhopping“ nennt man das wohl. Doch in Anbetracht der vielen Menschen, die nach wie vor übers Meer fliehen, vergeht einem der Spaß daran. Dagmar Schwirschke: „In Europa haben wir diese Diskussion, weiter die Diskussion, unsere Außengrenzen zu sichern oder die Flüchtlinge in Lagern unterzubringen. Erstmal am liebsten gar nicht in Europa, sondern in Nordafrika. Und ich habe mehr und mehr das Gefühl, als würden wir hier in Europa Mauern errichten, die Türen verschließen und die Flüchtlinge abweisen.“

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Hier der gesamte Text zum Nachlesen:

Hallo und herzlich willkommen bei ALLERHAND Alltagsgeschichten!

Vor vielen Jahren bin ich mit vier Freundinnen zusammen nach Griechenland gereist. Und wir haben auch überlegt, dass wir uns die griechischen Inseln gerne ansehen möchten. Und wir haben die Inseln immer mit dem Schiff bereist.

Ich weiß noch, einmal sind wir von Insel zu Insel vier Stunden mit dem Schiff gefahren. Aber leider war sehr starker Seegang. Und es war so, dass wirklich alle Menschen auf dem Schiff seekrank waren. Die Stimmung war ziemlich schlecht, es herrschte ein Durcheinander und die Leute haben geschrien. Und ich weiß noch, dass es für mich entsetzlich schlimm war damals und ich gebetet und gehofft habe, dass das endlich vorbei sein möge und wir mit dem Schiff an Land kommen. Und vier Stunden später legte das Schiff dann auch an Land an. Ich bin ausgestiegen und ich hatte wirklich das Gefühl von Befreiung, von Erlösung, und war so froh wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.

Warum erzähle ich das? In letzter Zeit haben wir viel gehört von Menschen, von Flüchtlingen, die ihr Land verlassen und dann in ein kleines Boot einsteigen, um nach Europa fahren zu können mit diesem Schiff. Aber sie müssen das Mittelmeer überqueren. Und natürlich ist es sehr gefährlich mit so einem kleinen Schiff bei Wind und Wellen das Mittelmeer zu bereisen. Und es ist so, dass viele Flüchtlinge in Seenot geraten und auch sehr viele schon gestorben sind, ertrunken sind. Wenn sie „Glück“ haben, dann ist ein größeres Schiff in der Nähe und kann die Flüchtlinge retten und an Land bringen, zum Beispiel nach Italien oder nach Spanien oder auch nach Malta. Das sind die Länder, die drei Länder zum Beispiel, die ans Mittelmeer angrenzen.

Vor ein paar Wochen gab es eben auch die Situation, dass so ein kleines Boot mit Flüchtlingen drauf in Seenot geraten ist und ein anderes größeres Schiff in der Nähe war und diese Menschen gerettet hat und sie dann an Land bringen wollte. Aber sowohl Italien, als auch Spanien, als auch Malta, wollten die Flüchtlinge nicht aufnehmen. Und so blieb eben diesem Schiff nichts übrig, als weiter das Mittelmeer zu bereisen, bei Wind und Wellen natürlich. Als ich das so gehört habe, ich konnte mir das wirklich nicht vorstellen. Und fand es ganz schrecklich, dass diese Menschen nun weiter mit dem Schiff auf dem Mittelmeer reisen müssen. Und in Europa haben wir diese Diskussion, weiter die Diskussion, unsere Außengrenzen zu sichern oder die Flüchtlinge in Lagern unterzubringen. Erstmal am liebsten gar nicht in Europa, sondern in Nordafrika. Und ich habe mehr und mehr das Gefühl, als würden wir hier in Europa Mauern errichten, die Türen verschließen und die Flüchtlinge abweisen.

In der Bibel gibt es eine Geschichte, in dieser Geschichte hat auch Jesus mit seinen Jüngern ein Boot bestiegen. Und da Jesus müde war, hat er sich schlafen gelegt. Und die Jünger sind auf dem See Genezareth gefahren und es ist ein Wind, ein Sturm, aufgekommen. Sie kamen in Seenot, hatten große Angst und haben Jesus geweckt und gesagt: Was schläfst du denn hier? Helfe uns doch aus unserer Not. Und Jesus ist aufgestanden, hat den Wind und die Wellen bedroht, Wind und Wellen geboten sich zu beruhigen. Und der Wind und die Wellen legten sich, und es war große Stille. Und Jesus hat die Jünger gefragt: Habt ihr kein Vertrauen zu mir? Ihr habt so große Angst. Ihr könnt euch beruhigen, ich bin doch da für euch.

Ich selbst beobachte, dass die Menschen, die Flüchtlinge, die so kleine Boote besteigen, offensichtlich ein sehr großes Vertrauen haben. Denn sie wissen sehr genau, wie gefährlich es ist, so ein kleines Boot zu besteigen. Aber sie haben Vertrauen in Europa, in eine gerechte Politik. Sie vertrauen darauf, dass in Europa Freiheit herrscht, kein Krieg herrscht, dass viel Soziales stattfindet und es einfach menschlich zugeht. Und deswegen nehmen sie das Risiko an und vertrauen darauf, es in Europa besser zu haben.

Und Jesus fragt: Habt ihr kein Vertrauen? Ich glaube, er fragt das gar nicht die Flüchtlinge. Er fragt es vielleicht uns Menschen hier in Europa. Habt ihr kein Vertrauen in mich? Ihr habt Angst, die Flüchtlinge anzunehmen und deswegen verschließt ihr eure Türen und schickt sie zurück, wehrt sie ab. Ihr braucht keine Angst zu haben. Ich bin da für euch. Und ich bitte euch, seht doch die Menschen, die auf den Schiffen sind. Es sind Menschen wie du und ich und sie brauchen eure Hilfe.

Tschüss bis zum nächsten Mal!

Text: APK
Foto(s): APK