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Allerhand Alltagsgeschichten über Gelassenheit

Wie gelassen sind Sie? Was lässt Sie an die Decke gehen? Oft sind unsere Reizschwellen im Alltag sehr niedrig, wir reagieren ungehalten auf einfache Alltagssituationen. So eine Alltagsgeschichte hat Pfarrerin Dagamar Schwirschke erlebt. Sie berichtet in Gebärdensprache von einer Situation mit einer jungen Frau, die sich alles andere als provozieren lässt und eine Lösung findet, um nicht an die Decke zu gehen. Streit kann man auch aus dem Weg gehen, aber wie? Das erfahren Sie in Allerhand Alltagsgeschichten.

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Hier der gesamte Beitrag zum Nachlesen:

Hallo und herzlich willkommen zu Allerhand Alltagsgeschichten. Vor ein paar Tagen bin ich selbst in der Straßenbahn gefahren, es war vielleicht so viertel vor acht Uhr morgens und um diese Uhrzeit ist die Straßenbahn natürlich sehr voll und deshalb musste ich auch stehen. Bei mir in der Nähe in einem Vierersitz saßen drei junge Frauen, waren vielleicht so 17, 18 Jahre alt und gingen auch noch zur Schule, das habe ich so mitbekommen im Gespräch. Irgendwie waren die drei sehr interessant, sie hatten besondere Kleidung an, hatten besondere Frisuren, irgendwie anders als andere junge Frauen in dem Alter. Und die haben sich eben miteinander unterhalten, neben mir stand ein Herr, er war vielleicht so 50 Jahre alt. Plötzlich habe ich gehört, wie dieser Herr die junge Frau, die vorne saß, wüst beschimpft hat, zu ihr gesagt hat „Warum tust du denn deine Schuhe auf den Sitz, der ist doch dreckig. Wenn sich danach eine andere Person hinsetzt, dann hat die auch dreckige Kleidung!“ Und das war so laut und ich selbst habe gespürt, dass er seine ganze Wut, die in ihm war, dieser jungen Frau entgegen geschleudert hat. Das war schon seltsam. Aber das Besondere für mich war das Verhalten und die Reaktion der jungen Frau: Sie hat nicht sofort geantwortet, sondern sie war erstmal still und ich habe beobachtet, dass sie überlegt hat. Und dann hat sie ihm geantwortet und zwar hat sie sehr ruhig geantwortet und hat gesagt: „Ja, das stimmt, es ist nicht in Ordnung, dass ich hier meinen Schuh auf den Sitz lege, aber um ehrlich zu sein, habe ich da gar nicht überlegt, ich habe das einfach so spontan gemacht und wenn man mich schon kritisiert, dann kann man das vielleicht ja auch freundlich tun.“

Ich fand das so interessant, diese Reaktion dieser jungen Frau. Auch mit 17, 18 Jahren so ruhig und auf diese Art zu reagieren und zu antworten, einfach toll! Der Mann hat die junge Frau ja beschimpft und ich hatte so für mich die Erwartung, dass die junge Frau ihn jetzt auch beschimpfen wird, aber das hat sie eben nicht gemacht, sie hat ganz ruhig geantwortet, ruhig reagiert, hat auch Selbstkritik geübt und gesagt: „Ja, stimmt, das macht man eigentlich nicht, ich habe das so spontan gemacht und nicht aufgepasst.“ Aber sie hat ihn auch kritisiert, freundlich und ruhig kritisiert und hat zu ihm gesagt: „Ja, Kritik ist in Ordnung, aber bitte schön ruhig.“ Mit 17, 18 Jahren so reflektiert, so klar, so ruhig, das finde ich schon besonders.

Wir haben jetzt Adventszeit, das bedeutet, dass wir uns auf Weihnachten vorbereiten und uns dann daran erinnern, dass an Weihnachten Gottes Liebe und auch sein Frieden zu uns in die Welt kommt. Wir spüren und erleben, dass es in unserer Welt mit Frieden und Liebe noch nicht so weit ist, dass es auch sehr viel Hass gibt, sehr viel Streit, sehr viel Gewalt und Bevormundung. Eben habe ich von meinen Beobachtungen in der Straßenbahn erzählt und für mich ist das auch so eine kleine Adventsgeschichte eigentlich, denn der Mann in der Straßenbahn hat ja seine ganze Wut mit Worten dieser jungen Frau entgegen geschleudert und in dieser Form sich zu äußern ist natürlich nicht in Ordnung. Auch Beschimpfungen und Worte können verletzend sein und so war es ja auch, die junge Frau war betroffen und auch die beiden anderen jungen Frauen und auch ich selbst, wir waren alle betroffen. Und sich in dieser Form zu äußern das ist eine Form von Gewalt und eine klare Grenzüberschreitung. Aber die junge Frau hat eben nicht zurückgeschrien, sondern sie ist aus dieser Gewaltspirale ausgestiegen, sie ist ruhig geblieben, sie hat ihm erklärt, warum sie sich so verhalten hat, und sie hat ihn auch kritisiert, aber hat es ruhig getan. Natürlich war die junge Frau verletzt und auch betroffen, das ist ja klar. Aber trotzdem hat sie die Gewalt durchbrochen, ist ausgestiegen, hat nicht so weitergemacht. Für mich ist das ein wunderschönes Beispiel, wie man eben aus einer Gewaltspirale aussteigen kann, nicht immer weitermachen und zur Eskalation führen. Das ist auch ein schönes Beispiel, wie es möglich ist, Frieden zu schaffen und ich habe erlebt, mit wie viel Liebe diese junge Frau agiert hat, sie hat diesen Mann zwar kritisiert, aber mit Achtung. Hut ab! Bis zum nächsten Mal.

Text: APK
Foto(s): APK