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Pfarrerin Dagmar Schwirschke erzählt von der Kraft des Pfingstfestes

ALLERHAND Alltagsgeschichten: Die Kraft des Pfingstfestes

Viele Menschen haben Verletzungen. Manche sind krank, manche leiden oder haben Schmerzen. Vielleicht spüren sie ihr Leid körperlich, vielleicht aber auch seelisch. Pfarrerin Dagmar Schwirschke erzählt die Geschichte von einer alten Dame und vom Pfingstfest in ALLERHAND-Alltagsgeschichten für gehörlose Menschen in der Gebärdensprache. Eine Geschichte von Leid und der Kraft, damit umzugehen.


Hier der gesamte Text zum Nachlesen:

Hallo und herzlich Willkommen bei ALLERHAND-Alltagsgeschichten!
Vor einiger Zeit habe ich eine alte Dame besucht, und diese Dame hat leider keine Familie, keine Kinder, keinen Partner, keine Verwandten. Sie lebt also allein. Und dann kommt noch dazu, dass sie sehr schwer krank ist und so zwei, drei Mal die Woche ins Krankenhaus muss und dort Medikamente bekommt. Sie muss dann dort immer einen halben Tag bleiben und danach kommt sie nach Hause zurück. Sie hat mir erzählt, dass die Tabletten, die sie bekommt, natürlich auch Nebenwirkungen haben, und es ihr danach in der Nacht und auch am folgenden Tag nicht wirklich gut geht. Dass sie unter Schwindel leidet oder ihr auch übel wird. Und ich habe gedacht: Sie lebt allein, das ist schon schlimm so.

Ich hab mir dann überlegt, wenn ich schon mal krank bin mit irgendeiner Kleinigkeit, da bin ich wirklich froh, wenn da jemand da ist, der dann für mich sorgt. Also, wenn ich irgendetwas brauche, dann kann ich sagen: „Kannst du mir das bitte mal holen oder hierher bringen“. Ich muss nicht mehr aufstehen und mich da alleine hinbegeben. Das ist so angenehm, dass das jemand für mich macht. Oder, wenn man Fieber hat und das immer schlimmer und schlimmer und schlimmer wird. Dass jemand da ist, ja auch meinen Arzt anrufen kann oder, wenn es denn nötig ist, auch den Notarzt. Oder mich auch ins Krankenhaus bringen könnte. Das ist für mich so eine Beruhigung, das zu wissen. Ja, es ist einfach – in Anführungsstrichen – einfach schön zu wissen, da sitzt jemand bei mir. Er beruhigt mich, er spricht mit mir und tröstet mich. Für mich ist das sehr, sehr wohltuend, einfach nicht allein zu sein in so einer Situation. Und wenn ich dann an diese Frau denke, das ist für mich unvorstellbar.

50 Tage nach Ostern feiern wir das Pfingstfest. Im Johannesevangelium gibt es eine Geschichte, die steht im Zusammenhang mit dem Pfingstfest, aber auch mit dem, was ich über diese Frau erzählt habe. Als Jesus verstorben war, haben sich seine Jünger in ein Haus zurückgezogen, haben Türen und Fenster verschlossen, um mit ihrer Trauer, mit ihrer Angst allein sein zu können. In dieser Situation ist Jesus zu ihnen gekommen und hat zu ihnen gesagt: „Schaut hier meine Nagelmale und auch meine Seite an.“ Und die Jünger haben begriffen, ja das ist Jesus, der auferstandene Jesus. Aber Jesus hat dies auch zu ihnen gesagt, um ihnen zu zeigen: „Hier schaut genau hin auf meine Verletzungen. Nicht nur ich habe solche Verletzungen, es gibt viele Menschen überall auf der Welt mit Verletzungen, die leiden, die krank sind oder allein sind. Schaut hin, schaut genau hin, und dann könnt ihr sie unterstützen und begleiten.“ Als ich das so gelesen habe, habe ich gedacht, ja es hat schon auch etwas mit dieser alten Frau zu tun. Jesus hat Recht, so ist es. Es gibt überall auf der Welt Menschen, denen es so geht wie dieser alten Dame. Die allein sind, die krank sind, die leiden und Schmerzen haben. Und ich habe überlegt, ob wir machtlos sind in alledem. Aber ich glaube es nicht. Ich denke, wenn wir genau hinschauen, dann habe ich die Sicherheit, dass wir dann auch neue Ideen bekommen werden. Dass uns etwas dazu einfallen wird und wir die Kraft haben, etwas für diese Menschen zu tun, sie zu unterstützen und sie auf ihrem Weg zu begleiten. Und so geschieht für mich Pfingsten.
Tschüss bis zum nächsten Mal!

Text: APK
Foto(s): APK