You are currently viewing Alle Register der Orgel: Die „Königin der Instrumente“ zum Anfassen

Alle Register der Orgel: Die „Königin der Instrumente“ zum Anfassen

Was wäre ein Gottesdienst ohne Orgel? Die Menschen hinter der Orgel wirken manchmal fast unsichtbar, „Die Empore ist oft weit entrückt, wir wollten einen Brückenschlag“ betont Barbara Mulack, Kreiskantorin des Kirchenkreises Köln-Süd. Bereits 2010 veranstaltete sie mit ihren Kollegen und Kolleginnen deswegen erstmals den Orgel-Emporentag. Damals beschränkten sich die Angebote auf Gemeinden aus dem Evangelischen Kirchenkreis Köln-Süd und die Kirchengemeinde Köln-Dellbrück/Holweide. An der zweiten „Auflage“ beteiligten sich 2011 nun alle vier Kirchenkreise von Köln und Region: In 27 Kirchen aus 25 Gemeinden, von Altenberg und Bergheim bis Brauweiler, von Volberg bis Frechen, öffneten sich die Orgelemporen – bei freiem Eintritt, für ein Publikum äußerst gemischten Alters. Vom klassischen Konzert über das Kindermusical bis hin zum Workshop für fortgeschrittene Klavierspieler war die Bandbreite groß. Gemeinsam war allen das Anliegen, die Besucherinnen und Besucher das Instrument ausprobieren zu lassen und dessen Möglichkeiten ganz praktisch vorzuführen.

Stimmen von Wolke und Mond
Die Kirschin Elfriede fällt vom Baum und die Wolke Marie-Claire schwebt dahin, je nach Wetterlage brausend oder säuselnd. Elfriede hat Besseres vor, als die anderen Kirschen: Sie will nicht gegessen werden, sondern in die Welt hinaus. Welche Abenteuer sie mit dem Mond, der Maus und der Katze erlebt, konnten rund 40 Kinder und geschätzte 50 Erwachsene in der Dellbrücker Christuskirche verfolgen. Während Eckhard Leue die Geschichte „Die Kirschin Elfriede“ von Gerhard Engelsberger vorlas, intonierte Mechthild Brand, Kantorin in Dellbrück, die Stimmen der Figuren auf der Orgel. Eingeblendete Dias illustrierten die Reise der Kirsche vom Mauseloch, durch einen Sturm und zurück in ihre Erdhöhle. Die Kinder wurden zum Zuhören nicht in harte Kirchenbänke gequetscht, sondern konnten gemütlich auf Sitzkissen die musikalische Lesung verfolgen. Nach dem Happy-End, als „Elfriede“ als Kirschbaum aus dem Winterschlaf erwacht, ging es eine Etage höher weiter: Auf der Orgel-Empore drängten sich mehrere Dutzend Kinder um Mechthild Brand, die ihnen all die Stimmen, Register und Manuale einer Orgel vorführte. Wer Klavierunterricht hatte, durfte sich versuchsweise auch an der Orgeltastatur versuchen. Das Ziel, die Orgel als Instrument fassbar zu machen, hatten Barbara Mulack hier erreicht. „Das war eine schönere Zugangsweise, um den Kindern das Instrument nahe zu bringen, als nur ein Konzert zu veranstalten“ befand eine Mutter, deren ältester Sohn selber Klavier spielt.

Vielfältige Ausdrucksweisen
„Erfreulich viele Kollegen haben sich Gedanken gemacht, was man tun könnte“ stellte Barbara Mulack bereits im Vorfeld fest. Viele haupt- und nebenamtliche Organistinnen und Organisten lockten mit orginellen Titeln, andere gaben Einblicke in die Orgelliteratur für Kinder. Die Stimmvielfalt einer Orgel brachte zum Beispiel die hauptamtliche Kirchenmusikerin Doris Röskenbleck in Volberg Kindern ab vier Jahren im Kindermusical „Die sieben Pfeiflein und der Orgelwind“ nahe. Tierstimmen „von der Hornisse bis zur Riesenkrake“ führte dagegen Kirchenmusikdirektor Johannes Quack in der Antoniterkirche auf der Orgel vor. In der Deutzer St.Johannes-Kirche zeigte Kantor Daniel Konrad dagegen, dass auch Popmusik der 70er und 80er Jahre auf der Orgel fetzig klingt. Unter dem Titel „Wer pfeift hier auf dem letzten Loch?“ hatte er vorher Kindern und Eltern die Klangwelt der Orgel nahe gebracht.

Volkslieder auf der „Königin der Instrumente“
In der Rodenkirchener Erlöserkirche gab Barbara Mulack Unterrricht in Musikgeschichte: Nach einem kurzen Abriss über die Geschichte des Volksliedes inprovisierte sie über die Melodien von Volks- und Kinderliedern und veranstaltete ein Liederquiz mit Kindern und Erwachsenen. Anschließend durften auch hier die jungen und älteren Gäste, insgesamt etwa 70 an der Zahl, bei Interesse einmal selbst an die Orgel.
Den Orchesterklassiker „Peter und der Wolf“ präsentierte Marc Jaquet in der Bayenthaler Reformationskirche. An Klavier- und Orgelspieler richtete sich der Workshop „Manualiter-Literatur für Orgel“, den Cordelia Miller in der Evangelischen Kirche in Frechen anbot. Hier ging es vor allem darum, Klavierspielern, die Orgelvertretungen im Gottesdienst übernehmen wollen, geeignete Stücke die ohne Pedale gespielt werden können, nahe zu bringen.
Dieser Körpereinsatz mit Händen und Füßen ist ein Grund, warum Kinder, so Brand, erst einmal Klavier spielen lernen sollten, bevor es an der Orgel weiter geht. „1,50 Meter sollten sie schon groß sein“, so Brand, um alle Pedale bequem zu erreichen.

Text: Annette v. Czarnowski
Foto(s): avc