In vielen Kulturen und Gesellschaften wird der Wandel maßgeblich von den Frauen ausgehen (müssen). Das ist – trotz allen Fokusses auf Partnerschaftlichkeit und Geschlechtergerechtigkeit – in der Eine-Welt-Arbeit eine seit langem gehegte Überzeugung. Beim Aktionstag „All the birds are gone“ („Alle Vögel sind verschwunden“) am Sonntag, 26. Februar, in der Christuskirche werden die Stimmen indigener Frauen aus Westpapua gegen die Ausbeutung der Umwelt und vor allem der Wälder hörbar gemacht. Mit dabei: die junge Theologin Cicilia Jambuani, die seit dem vergangenen September im Freiwilligendienst an der Matthäuskirche der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Lindenthal tätig ist.
Cicilia Jambuani hat in Papua ihr Theologiestudium abgeschlossen, aber sie ist noch keine Pastorin. Das allerdings ist ihr Ziel, wenn sie im Frühjahr nach rund neun Monaten in Deutschland im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes nach Papua zurückkehren wird. Dort wie hier wird sie mit Kindern und Jugendlichen arbeiten. Sie liebt diese kreative und persönliche Arbeit, sagt aber auch: „In Papua ist das normal, dass man mit der Jugend arbeitet, wenn man eine junge Theologin ist.“
Cicilia Jambuani ist eine bescheidene, zurückhaltende junge Frau, aber ihre Gesprächspartnerinnen spüren bei diesen Worten, dass sie mehr will, höhere Ziele hat. Sie ist die Erste in der Familie und die Erste aus ihrem Dorf, die Theologie studiert hat. Sie hofft, künftig dabei zu helfen, dass die Anliegen der indigenen Bevölkerung, die wie fast überall auf der Welt auch in Papua die Hüterinnen und Hüter der Schöpfung, der Erde sind, gehört werden.
Raubbau für Palmöl und Gold
Das ist deshalb so wichtig, weil seit Jahren und trotz gegenteiliger Versprechungen und Abkommen Raubbau betrieben wird an den Regenwäldern und dem Land der Menschen von Papua. Sie verlieren das Recht auf ihr Land und dessen Schutz. Westpapua und Papua gehören als Provinz zu Indonesien. Aktuell sorgt ein Konflikt zwischen der Unabhängigkeitsbewegung und der Regierung immer wieder für zum Teil blutige Unruhen im Land. Die Regierung verkauft Konzessionen für das Land an große Palmöl-Konzerne oder toleriert den Raubbau der Konzerne und legalisiert ihn so. Dass die Abholzung des Regenwaldes – auch für die Herstellung von Papier und anderen Gütern – sowie die Errichtung von Monokulturen für die immense Palmöl-Wirtschaft oder den Reis-Anbau kurzsichtig und langfristig zukunftsgefährdend sind: dafür fehlt das Bewusstsein im Angesicht von lukrativen Verträgen und verlockenden Erträgen. Indonesien ist der weltweit größte Exporteur von Palmöl, das in vielen Lebensmitteln und Alltagsprodukten enthalten ist.
Zu Weihnachten, erzählt Cecilia Jambuani, nutzte ein Konzern die Chance, „dass alle mit Weihnachtsvorbereitungen beschäftigt waren“ und holzte entgegen seiner Versprechungen, nur Buschwerk zu roden, die Bäume ab. „Unsere Vorfahren haben dieses Gebiet zu heiligem Grund erklärt“, erzählt Cicila Jambuani. „Es ist bei uns allgemeines Wissen, dass man dieses Land nicht verletzen darf.“ Der Konzern wird langfristig also kein Glück haben mit diesem Raubbau, hoffen die Menschen.
Papua ist ein rohstoffreiches Land. Auch die Ausschlachtung der Goldvorkommen trägt zu den Problemen im Land bei und gefährdet die Umwelt. Pastorin Bettina Kurbjeweit sagt: „Davon erfährt man hier nichts, dass die Berge zusammenstürzen, weil das Gold abgebaut wird.“ Es sei wichtig gewesen, dies durch die Begegnung mit Cicilia Jambuani zu erfahren.
Kirchen setzen sich für die Rechte der Indigenen ein
Die Kirchen versuchen, mit Landkäufen und der Stärkung der indigenen Bevölkerung, zum Schutz des Landes beizutragen. Oder sie lassen sich Land überschreiben, um es dem Zugriff der Konzerne zu entziehen. Besonders Frauen sollen ermutigt werden, für ihre Anliegen und Rechte einzutreten und ihre Stimme zu erheben. In den Dörfern helfen Frauen, Menschen zu vernetzen und halten Trainings, damit die Menschen dazu befähigt werden. „Es geht darum, dass sie die Wälder schützen“, erklärt Cicila Jambuani. „Normalerweise ist es Männersache, wenn die Konzerne kommen, um über den Wald zu sprechen. Die Frauen können nicht an den Meetings teilnehmen, aber sie können zu Hause mit ihren Männern sprechen – und die können vielleicht eine andere Perspektive einnehmen in den Gesprächen mit den Konzernen.“
Viele Menschen werden aus ihrer Heimat vertrieben, etwa um die Goldvorkommen in den Bergen auszuschlachten. „Wir haben viele Migranten“, sagt Cecilia Jambuani. „Die meisten sind zu ängstlich, um auch nur zu sagen, wo sie herkommen und dass sie ihre Heimat verloren haben.“ Hinzu kommen negative Erfahrungen durch Militärgewalt und soziale Ausschreitungen. So engagiere sich die Kirche auch in der Trauma-Therapie.
Die Mehrheit der Menschen in Papua bekennt sich zum Christentum. Pastorin Bettina Kurbjeweit sagt: „Was wir durch die Zeit mit Cicilia gelernt haben, ist dass die Menschen in Papua Christen sind – und sehr stolz darauf. Es ist Teil ihrer nationalen Identität.“ Das sei eine neue Erkenntnis, umso mehr, als man hier denke, die Kirche sei (ausschließlich) ein Teil der problematischen Kolonialgeschichte. „Es war ein neuer Gesichtspunkt für uns, dass die missionarische Arbeit in Papua sehr wertgeschätzt wird“, so die Pastorin. „Und nun haben wir hier eine junge Frau aus den Indigenen Völkern West-Papuas als Theologin“, freut sie sich. „Das ist eine großartige Erfahrung für uns.“ Die Gemeinde hat seit langem eine Partnerschaft mit der Kirche in Hongkong. Durch die politischen Umstände war es nicht möglich, dass jemand der Partner von dort nach Deutschland kommt – und so hat es sich glücklich gefügt, dass Cicila Jambuani als Freiwillige kommen konnte.
„Wir können die Erde nur gemeinsam retten“
Es sei auch wichtig gewesen, mehr darüber zu erfahren, wie verflochten auch Deutschland mit Indonesien und den Vorgängen in Papua sei., so Kurbjeweit „Wenn man West-Papua googelt, findet man nichts darüber, wie die Berge zusammenstürzen, weil all das Gold aus ihnen herausgeholt wird. Es war wichtig zu sehen, dass wir mit sehr vielem zu tun haben, was dort geschieht, ob es um das Gold oder Holz geht. Wir sind Eine Welt. West-Papua ist auf der anderen Seite der Welt, aber wir können die Erde nur gemeinsam retten“, betont sie.
Cicilia Jambuani nimmt nicht nur ihre Erfahrungen aus der Arbeit hier in Deutschland mit nach Hause, sondern auch Eindrücke, dass Kirche auch anders funktionieren kann, als sie es aus ihrer Heimat kennt. „In meiner Kirche in Papua könnten manche Menschen von der Kirche in Deutschland lernen, das eigene Ego hintenan zu stellen und nicht tagelang über etwas zu debattieren.“ Sondern zusammenzuarbeiten und eine Lösung oder einen Konsens zu finden. Und noch etwas schätzt sie an den Erfahrungen aus der Zeit in Deutschland: „Hier in Deutschland ist es egal, wie alt du bist, wenn du einen guten Standpunkt vertrittst.“ Junge Theologinnen und Theologen werden gehört. Wer Cicilia Jambuani erlebt, ist aber sicher, dass sie sanft, aber nachdrücklich einen Weg finden wird, sich Gehör zu verschaffen.
Infotag in der Christuskirche
Am Sonntag, 26. Februar, findet ab 17 Uhr ein Info-Nachmittag im Gemeindesaal der Christuskirche statt (Dorothee-Sölle-Platz 1). Er steht unter dem Thema „All the birds are gone. Indigene Frauen erheben ihre Stimme gegen den Waldverlust in Westpapua“. Gezeigt wird der gleichnamige Film, anschließend findet ein Austausch über das Thema statt. Um 18.30 Uhr wird zum gemeinsamen Gottesdienst geladen, der von Cicila Jambuani und Vikarin Judith Schaefer gestaltet wird.
www.evangelisch-in-lindenthal.de
Foto(s): Hildegard Mathies