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v.l. Superintendent Markus Zimmermann, Ahmad Mansour und Stadtsuperintendent Rolf Domning

Ahmad Mansour zu Gast beim Schulpolitischen Aschermittwoch im Haus der Evangelischen Kirche

Im Jahr 2000 kam zum ersten Mal die Idee auf, im Rahmen des allgemein üblichen Aschermittwochs-Treffen eine Schuldebatte zu führen. „Initiiert wurde dies damals von Pfarrer Dr. Johannes Vogtländer“, wissen Barbara Hartmann und Martina Greising, die beide für die Organisation des Tags zuständig sind. Pfarrer Voigtländer ist heute Beauftragter der EKD für das Karl-Barth-Jahr und war zuvor Leiter des „Pfarramts für Berufskolleg“ beim Evangelischen Kirchenverband Köln und Region. Seine Idee ist längst zur Tradition geworden und so war es nun das 19. Mal, dass man hier zusammenfand und debattierte, gut 100 Gäste waren der Einladung gefolgt.

Rolf Domning: Einsatz gegen Antisemitismus ist uns ein zentrales Anliegen
Das Thema lautete „Antisemitismus an Schulen“ und hatte viele angesprochen. Der Saal war mehr als gut besetzt, als Gastredner Ahmad Mansour von Stadtsuperintendent Rolf Domning begrüßt wurde. Domning betonte, dass „es schlimm ist , dass wir uns in Deutschland wieder mit dem Thema Antisemitismus auseinandersetzen müssen“. In verschiedenen Bereichen der Gesellschaft und nicht nur an rechtsradikalen Rändern gehörten antisemitischen Aussagen zum Selbstverständnis, stellte er bedauernd fest. „Das ist erschreckend und das dürfen wir nicht tolerieren“, so Domning.

Ahmad Mansour wurde in Israel geboren, wuchs in einer nichtpraktizierenden muslimischen Familie auf und hat in Tel Aviv sowie Berlin Psychologie studiert. Er beschäftigt sich unter anderem mit dem Antisemitismus von Jugendlichen, insbesondere in der muslimischen Community. Er lebt seit 2004 in Deutschland und ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Zentrum für demokratische Kultur in Berlin tätig. Als Islamismus-Experte ist er zudem in den Medien präsent. Sein letztes Buch trägt den Titel „Klartext zur Integration: Gegen falsche Toleranz und Panikmache“ (2018). Zu Beginn der Veranstaltung gab er zu, dass es schwierig sei, ein solch komplexes Thema in nur 30 Minuten zu besprechen – es wurden dann auch schnell einige Minuten mehr. Die Diskussion zeigte deutlich, wie groß der Gesprächsbedarf rund um das Thema „Antisemitismus – mahnende Worte reichen nicht“ ist.

Mansour benennt drei Ursachen
Der Experte Mansour formulierte drei zentrale Ursachen für das Phänomen Antisemitismus bei Jugendlichen. Die erste sei der Nahostkonflikt. Viele Jugendliche seien auf der Suche nach einfachen Erklärungen, tiefergehendes Wissen fehle ihnen. Sie seien oft davon überzeugt, dass die Israelis und somit die Juden, Täter seien. Als zweite Ursache nannte er Verschwörungstheorien, die vor allem über soziale Medien „inhaliert“ werden. „Mit einem einfachen Islamunterricht alleine ist man nicht in der Lage, so etwas zu korrigieren“, erklärte er. In einer immer komplexeren Welt wollten die Heranwachsenden einfache Antworten und Schwarz-Weiß-Bilder. Als dritte Ursache machte Mansour den Umgang mit den heiligen Schriften aus. Mit Blick auf diesen Umgang müsse den Menschen und vor allem den Jugendlichen eine kritische Auseinandersetzung ermöglicht werden.

„Schule kann nicht gerade biegen, was in der Gesellschaft schief läuft“, so sein Ansatz. Dennoch,  dies betonte er deutlich, könne Schule eine zentrale Anlaufstelle sein, in der Themen wahrgenommen werden und einen Raum erhalten. „Schule braucht dabei aber auch Hilfe“, so seine These. „Ahmet und Ali sind längst Teil dieser Gesellschaft, also sind sie auch Teil der Schule – wir brauchen in der Schule eine Diskussion über aktuelle politische Themen und wir brauchen Lehrpläne, die diese Themen berücksichtigen“, führte er weiter aus. Das Thema Antisemitismus beschränke sich im Geschichtsunterricht auf den Holocaust. „Der Nahost-Konflikt gehört zwingend dazu,“ argumentierte er. Stellen wie die Bundeszentrale für politische Bildung müssten ganz dringend auf soziale Medien eingehen und dort einen Platz besetzen. „Wir brauchen eine digitale Sozialarbeit“, lautete eine weitere Forderung von ihm.

Debattierclubs, Streitkultur und digitale Sozialarbeit
In der anschließenden Diskussion wurden Schwierigkeiten an den Schulen angesprochen: „Wie soll sich das konkret ändern, wenn wir schon nicht über den Brexit oder Trump an unseren Schulen diskutieren, woher soll das kommen“, fragte eine Teilnehmerin. „Ich glaube schon, dass wir eine politisch sehr interessierte Jugend haben. Wir müssen Debattierclubs und eine Streitkultur an den Schulen etablieren“, hielt Mansour dagegen. Das Thema sei schwer und nicht schnell zu lösen, dennoch müsste es im Alltag seinen Platz erhalten.

Auf die weitere Frage, wie viel Diskussion und auch Beleidigungen man innerhalb der Schule erlauben solle, gab er der Fragestellerin Recht mit der These, dass Schule nicht alles zulassen kann. „Wir beide, Sie und ich, haben da andere Rollen. Ich als Psychologe möchte, dass die Jugendlichen reden. Sie als Schulleitung müssen Grenzen setzen“, so Mansour. Benannt wurden dann jedoch auch positive Beispielen, in denen das Thema aktiv angegangen wird. Abschließend bot der schulpolitischer Aschermittwoch bei „Fisch und Kölsch“ Gelegenheit, sich mit den Kollegen aus Schulleitung, Schulaufsicht und der evangelischen Kirche über das besprochene und auch über weitere Themen angeregt auszutauschen – und diese Gelegenheit wurde von allen Beteiligten gerne genutzt.

Text: Judith Tausendfreund
Foto(s): Judith Tausendfreund