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Achtung, Fußball: Gemeinden als De-Eskalations-Helfer und mehr über das 2006 alles beherrschende Thema

Das Neue Jahr hat gerade begonnen und schon wissen wir, was 2006 das alles beherrschende Thema sein wird: der Fußball. Für Köln ist der Ehrenfelder Pfarrer Karl-Heinz Iffland  DER Fusballbeauftragte: Im Dienst der Evangelischen Kirche im Rheinland steht er für den WM-Spielort in der Domstadt. Wir haben mit Iffland über den Fußball, zu erwartendes Missions-Aufkommen in Köln, die Baptisten, den WM-Verbund „Kick-Off“ und das „Gemeinschaftserlebnis Fußball“ gesprochen. Sie erfahren aber auch, wie sich Gemeinden während der WM nützlich machen können.


20.000 Missionare aus aller Welt
Pfarrer Karl-Heinz Iffland ist ein Mann, der sich nicht leicht erschrecken lässt. Doch wenn er an die Fußball-Weltmeisterschaft im Sommer denkt, machen dem Beauftragten der Evangelischen Kirche im Rheinland für den WM-Spielort Köln drei „Horrorzahlen“ Sorge: „20.000 Missionare aus aller Welt, vor allem aus Asien, und 40.000 Zwangsprostituierte in Deutschland sowie 80.000 Engländer in Köln.“

Auslosung: In Köln mit Baptisten und Cheerleadern am Schokoladenmuseum
Aber so weit ist es ja noch nicht. Erstes und bislang wichtigstes Groß-Ereignis: die Auslosung in Leipzig . An diesem Abend drückten 300 Christen in Köln der deutschen Mannschaft in der Friedenskirche der Baptisten am Schokoladenmuseum die Daumen. Los ging es mit Musik, Talk und Torwandschießen. Als Gesprächsgäste konnten Sportler aus einigen Ländern gewonnen werden, die sich für die WM qualifiziert haben. Auch Cheerleader gaben einige Kostproben ihres tänzerischen Könnens. Spannend wurde es, als die Gruppen ausgelost wurden. Allgemeine Zufriedenheit herrschte über das obligatorische Losglück der Deutschen mit den Gegnern Polen, Costa Rica und Ecuador.  „Wir haben die Friedenskirche der baptistischen Gemeinde ausgesucht, weil sie von allen verfügbaren Kirchen über die beste Infrastruktur verfügt“, erklärte Iffland. „Hier finden wir einen PC-Arbeitsplatz auf der Empore, einen Beamer und ein elektronisches Mischpult. Darüber hinaus verfügen die Baptisten über große Erfahrung im Bewirten größerer Menschmengen.“

Zu fromm?
Zu dem Projekt „Kickoff 2006 – Anstoß für den Glauben“, das vor eineinhalb Jahren die evangelische und katholische Kirche sowie die Freikirchen einlud, anlässlich der WM „etwas auf die Beine zu stellen“, sind die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die Rheinische Kirche auf Distanz gegangen. „Die sind einigen schlicht zu fromm“ sagt Iffland. Manche Gruppen nämlich hätten sich für die Zeit der WM ausdrücklich das Motto „Beratung und Mission“ auf die Fahnen geschrieben. Die EKD rechnet mit 20.000 Missionaren vor allem aus den qualifizierten Nationen Südkorea und Japan, die das Großereignis nutzen wollen, ihr Verständnis von Glauben zu verbreiten. „Wir, die evangelische und katholische Kirche und ,Kickoff 2006′, gehen in Köln dagegen ein lockeres Bündnis ein, Koordination und Arbeitsteilung ist sinnvoll“, beschreibt Iffland die Pläne für die WM vom 9. Juni bis zum 9. Juli.

„Faire Toiletten“, ökumenisch vor dem Dom
Unter dem Motto „Das evangelische und katholische Köln laden ein“ werden die Gäste am Hauptbahnhof und am Flughafen mit Infoständen begrüßt. „Dort laden wir natürlich auch zum Kirchentag 2007 in Köln ein“, sagt Iffland. Ein zentrales WM-Studio der Kirchen wird im Domforum schräg gegenüber vom Dom eingerichtet. Dort erhalten die Gäste „faires“ Essen und können sich auf „fairen Toiletten“ erleichtern. Die Spiele werden auf Großleinwand übertragen, kleinere Fernseher werden nach außen gerichtet, um in Schaufenstern das Verfolgen der Spiele von der Domplatte aus zu ermöglichen. „Wie in den 50-er Jahren“ findet Iffland. Zur Eröffnung der WM ist ein ökumenischer Gottesdienst geplant. Mehrsprachige Gebete und Gottesdienste an den Spieltagen ergänzen das geistige Angebot. Dazu kommen Kunstausstellungen in den Kirchen rund um den Neumarkt.

Gemeinden als Gastgeber und De-Eskalations-Helfer
Aber auch die Gemeinden sind aufgerufen, sich zu beteiligen. Sie könnten, so Iffland, mit „fairen Schlaf- und TV-Übertragungsräumen gastgeberisch und deeskalierend“ wirken. Denn: „Was machen wir denn, wenn 80.000 Engländer beim Spiel gegen Schweden in der Stadt sind, davon viele ohne Karte? Dann regnet es noch, und die Großleinwände werden nicht aufgestellt. Mich würde nicht überraschen, wenn mancher Fan dann einen über den Durst trinkt und seinen Billigflieger verpasst“, sagt Iffland, der sich als Diplom-Psychologe und Obdachlosenpfarrer des Evangelischen Stadtkirchenverbandes Köln mit den mannigfaltigsten Facetten menschlicher Verhaltensweisen auskennt. Dann könnten die Gemeinden möglicherweise als Auffangbecken für Gestrandete dienen. Darüber hinaus schlägt der WM-Beauftragte den Gemeinden vor, sich in Diskussionsrunden oder mit Filmen mit dem im kommenden Sommer alles beherrschenden Thema Fußball auseinanderzusetzen. Da könnte die Kommerzialisierung des Sports ebenso im Mittelpunkt stehen wie Alkoholmissbrauch rund um das Fußballspiel. Allerdings gehe es in erster Linie um das Gemeinschaftserlebnis.

Fußball-Gucken als Gemeinschaftserlebnis- und zwar kostenfrei
Iffland hat am Tage des WM-Finales Deutschland gegen Brasilien 2002 sein silbernes Dienstjubiläum und seinen Geburtstag gefeiert – natürlich mit TV-Übertrag des Spiels. „Das war ein Erlebnis für die ganze Gemeinde, die vor dem Fernseher mitgefiebert hat.“ Für solche und ähnliche Fälle hat er noch einen wichtigen Tipp für die Gemeinden: „Melden Sie Ihren Fernseher bei der GEZ an. Das geht auch tageweise.“
Tipp: Für eine Übertragung auf der Großbildleinwand sind normalerweise an die GEZ zusätzliche Gebühren zu entrichten. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat für ihre Gemeinden und andere nichtkommerzielle Anbieter einen Vertrag abgeschlossen, mit ihm ist die Registrierung kostenfrei – mehr dazu hier.

Text: Rahmann
Foto(s): Rahmann