Seit 9. Januar 2003 ist es „amtlich“: Die Synode der Evangelischen Kirche im Rheinland hat einen neuen Vorsitzenden: Gewählt wurde der 55-jährige Stellvertreter Kocks Nikolaus Schneider. Damit ist Schneider für zunächst zwei Jahre Präses der zweitgrößten deutschen Landeskirche. Schneider tritt sein Amt Ende April an. Manfred Kock hatte bereits vor einem Jahr seinen frühzeitigen „Verzicht“ angekündigt und als Grund die hohe Arbeitsbelastung angegeben. Bis November 2003 ist er noch Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, dann „nur noch“ Pfarrer im Ruhestand.
Gegen die Forschung an embryonalen Stammzellen, für die Integration ausländischer Zuwanderer
Ruhestand? so klang es nicht gerade, als Kock am Tag seiner Amtsniederlegung im WDR-Hörfunk sagte, danach wolle er das Gespräch mit den Menschen suchen – vor allem mit Zweifelnden, mit Kirchenfernen. Und Manfred Kock macht keine halbe Sachen. Er hat sich immer eingesetzt, klar und deutlich: „Profillosigkeit werfen ihm nicht einmal seine Kritiker vor“, so der WDR in seiner Würdigung zu Kocks 65. Geburtstag im September 2001. In der Gentechnik-Debatte warnte er vor überzogenen Hoffnungen und voreiligen Versprechungen. Die Forschung an embryonalen Stammzellen lehnte er ebenso ab wie die vorgeburtliche Untersuchung von Embryonen, die außerhalb des Mutterleibs erzeugt wurden.
Stark machte sich Kock dagegen für die Integration ausländischer Zuwanderer: Als der hessische CDU-Politiker Roland Koch 1999 eine Unterschriftenaktion gegen die doppelte Staatsbürgerschaft initiierte, gehörte Kock zu dessen entschiedensten Kritikern. Angesichts der Bedrohung durch einen „entfesselten Kapitalismus“, wie Kock sagt, mahnte er immer wieder neue Anstrengungen zur Überwindung der Arbeitslosigkeit an. Als Kocks Credo kann gelten, was er 2001 der Kölnischen Rundschau sagte: „Kirche muß dafür sorgen, dass Auseinandersetzung mit Werten noch stattfindet.“
Vom Jugendpfarrer zum Präses
Nach dem Theologiestudium in Bethel, Münster und Tübingen arbeitete der 1936 im Münsterland Geborene als Vikar und später als Pfarrer einer Bergarbeitergemeinde in Recklinghausen. 1970 wechselte er nach Köln – zunächst als Jugendpfarrer. 1980 wurde er Superintendent des Kirchenkreises Köln-Nord, 1988 Stadtsuperintendent.
Die Kölner Zeit hat ihn sicher geprägt – hat er seinen Wohnsitz doch noch heute hier. Nachdem er 1997 nach dem plötzlichen Tod Peter Beiers als einziger Kandidat mit sehr großer Mehrheit (224 von 241 Stimmen) zum rheinischen Präses gewählt worden war, mußte er sich – ausgerechnet mitten in der Karnevalszeit – aus Köln verabschieden. Johannes Rau, damals noch Ministerpräsident in NRW, charakterisierte ihn als Mann, dem „der Inhalt wichtiger“ sei „als die Verpackung“, der Kölner Oberbürgermeister Norbert Burger betonte Kocks „Leidenschaft, mit der er für richtig befundene Ziele verfolge“. Kocks Nachfolger im Kölner Amt, der Superintendent des Kirchenreises Köln-Rechtsrheinisch, Karl Schick, prophezeite völlig richtig, Kock werde „ein politischer Präses“ sein.
Mit „pädagogisches Zuchtmittel“ ging er nach Düsseldorf
Schick hob aber auch andere Aspekte für Kocks Kölner Zeit hervor: vor allem dessen Bemühungen um eine „offene Kirche“, sowie „sein Engagement für den Dialog zwischen Kirche und Kunst“ – nicht zufällig hatte Kock seine Abschiedspredigt in der Trinitatiskirche im Rahmen der ökumenischen Predigtreihe „Unterwegs zum Bleibenden“, nach den beiden „Kunstsachverständigen“ der katholischen und der evangelischen Kirche, Pfarrer Erich Witschke und Pater Friedhelm Menneckes, gehalten. Damit ist ein weiterer wichtiger Schwerpunkt in der Arbeit Manfred Kocks bis heute benannt: die Ökumene. Wichtig war für ihn auch immer die Gemeinschaft – in der Kirche oder in der Arbeit: „Wir arbeiten im Chor“, sagte er in seiner Kölner Abschiedspredigt. Zum „Ensemble“ seiner Abschiedsgäste bei Brezeln und Kölsch gehörten 1997 unter anderem auch die Mitglieder des Kirchenkabaretts „Klüngelbeutel„, die dem scheidenden Stadtsuperintendenten den „blauen Prot’s-Löffel am Bande“ – als „Auszeichnung und Dank,“, aber auch „als pädagogisches Zuchtmittel für die Düsseldorfer Kirchenbehörde“ überreichten. Ob Kock dieses original „kölsche Zuchtmittel“ seinem Nachfolger im Düsseldorfer Amt hinterlassen hat, ist nicht bekannt.
Der Duisburger Nikolaus Schneider allerdings hat versichert, er wolle “ die Linie von Präses Kock fortführen“ – wahrscheinlich in „geschwisterlicher Zusammenarbeit“ mit seiner Gegenkandidatin und möglichen Stellvertreterin Petra Bosse-Huber, die bei der Abstimmung nur 5 Stimmen weniger als Schneider erhalten hatte.
Foto(s): EKiR