Am Freitagabend ab 18 Uhr, nach dem letzten Schultag vor den Osterferien, trafen sich evangelische und katholische Jugendliche zwischen 13 und 20 Jahren zum ersten gemeinsamen ökumenischen Jugendkreuzweg auf Stadtebene in der Kölner Antoniterkirche.
Was ist ein Jugendkreuzweg?
„Kreuzwege“ sind die Stationen, die Jesus Christus auf seinem Weg zum Kreuz gegangen ist, die von seinem Leben und Sterben erzählen. Im christlichen Umfeld gibt es sie in vielfältiger Weise: gemalt, geschnitzt, als Fotos und an verschiedenen Orten wie Kirchen oder Parks. An diese Tradition knüpft der Jugendkreuzweg an und versucht, sich mit Jugendlichen der Passionsgeschichte, den Geschehnissen um Kreuzigung und Erlösung, immer wieder neu zu nähern – erstmals vor mehr als 50 Jahren auf dem Katholikentag in Berlin. Seit 1972 wird der Jugendkreuzweg ökumenisch gefeiert. Ein bundesweites Redaktionsteam entwickelt dafür neue Methoden, Materialien und Anregungen. Zum Team gehören die Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz (afj), der Bund der katholischen Jugend (BDKF) sowie die Arbeitsgemeinschaft der evangelischen Jugend Deutschland (aej).
Grenzen der Konfessionen überwinden
„Heute möchte der Jugendkreuzweg immer noch Grenzen überwinden – die der Konfessionen, die der Generationen, die der Gleichgültigkeit“ heißt es auf der Homepage von Jugendkreuzweg-online. In Kölner Kirchengemeinden wird der Jugendkreuzweg schon seit einiger Zeit zusammen gefeiert. Eine gemeinsame Aktion auf Stadtebene hatte in diesem Jahr jedoch Premiere. Mehr als ein Dutzend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jugendarbeit aus evangelischen und katholischen Gemeinden haben den gemeinsamen Jugendkreuzweg vorbereitet, wählten Orte, Texte und Lieder aus. Mit im Team war Andreas Schöllmann, Pastoralreferent in Sülz und Klettenberg, und dort für die Jugendarbeit zuständig. „Wir haben den Jugendkreuzweg breit beworben als neue Aktion, und wir fanden den Weg durch Köln in Verbindung mit dem Kreuz interessant“ sagt er.
Erste Station Antoniterkirche – Jesus wird verurteilt
Mitten in der Innenstadt, im dichten Einkaufsgewühl, trafen sich die Teilnehmenden am Jugendkreuzzug zu einer ersten Andacht. Im biblischen Bezug ging es um den Stadthalter Pilatus, der der geifernden Menge nachgibt und Jesus zum Tode verurteilt. Danach wäscht er vor aller Augen seine Hände, um sich seiner Mitschuld an der Kreuzigung von Jesus zu entledigen. Jetzt steht Jesus ganz allein da – denn keiner hält mehr zu ihm. Über heutige Formen von Ausgrenzung und Verurteilung wird in Texten über drei 14-Jährige berichtet, die von Mobbing in unterschiedlichen Zusammenhängen betroffen sind: im Internet, auf dem Schulhof und in der Familie. Jugendleiterin Petra Kempe aus der Evangelischen Kirchengemeinde Höhenberg-Vingst-Neubrück glaubt, dass alle Jugendlichen schon mal Erfahrungen mit Ausgrenzung und Mobbing gemacht hätten, etwa „weil einer anders aussieht, etwas anderes macht oder sonst außergewöhnlich ist.“ Deshalb könnten sie das Thema der ersten Station gut nachvollziehen. Der Text des Liedes „aufstehen, aufeinander zugehen, voneinander lernen“ rufe zu Zivilcourage und Toleranz auf. Am Ende dieser Station erhielt jeder ein Stück Stacheldraht – zum Gedenken an die Folter, die Jesus erlitten hat. Mitten durch die lärmende Einkaufsmeile ging es dann zu Fuß weiter zur zweiten Station.
Zweite Station Alt St. Alban – Jesus begegnet Maria
Die Kirche St. Alban wurde während des zweiten Weltkrieges zerstört. Die nackten Steine der Grundmauern bilden heute die Ruine St. Alban, die zum Gedenken an die Schrecken der beiden Weltkriege erhalten wurde. Hier stehen Nachbildungen der beiden Skulpturen des trauernden Elternpaares von Käthe Kollwitz, die um ihren im Krieg gefallenen Sohn trauern. Das Mahnmal erinnert an die Opfer und die Folgen der Weltkriege und liegt an der „Via culturalis“, die vom vom Dom über den Rathausplatz bis zum Neumarkt verläuft. Auch Maria machte sich wie alle Mütter Sorgen um ihren Sohn Jesus, klagte verzweifelt “ er hat doch nichts verbrochen, sondern nur für Gott gelebt.“ In einer zugigen, kahlen Ecke der Kirchenruine entlockte der Student Max Wieler aus Sülz seinem Saxophon klagende, berührende Töne, passend zu dieser bedrückenden Atmosphäre, die einen nicht nur wegen des eisigen Windes frösteln ließ, sondern auch Bilder der Verzweiflung und Trauer aufkommen ließen. Viele Jugendliche waren besonders von dieser atmosphärischen Musikbegleitung beeindruckt, und sie machten sich nachdenklich auf den Weg zur U-Bahn, denn jetzt ging es über den Rhein ins Rechtsrheinische.
Dritte Station Polizeipräsidium Kalk- Jesus wird seiner Kleidung beraubt und ans Kreuz geschlagen
Strafrechtlich wäre damit heute der Tatbestand des Raubes, des Diebstahls, der unterlassenen Hilfeleistung und des Mordes erfüllt, erklärten zwei Polizistinnen im Polizeipräsidium in Köln-Kalk. Die beiden versuchen jeden Tag aufs Neue, den Weg der Gerechtigkeit zu gehen. Sie vertreten Recht und Gesetz als staatlich festgelegte Ordnung des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Wenn jemand dagegen verstößt, droht ihm eine Strafe. Das ist noch verständlich. Aber wie lässt sich Gerechtigkeit definieren? „Gerechtigkeit ist subjektiv, jeder interpretiert sie anders und nimmt sie anders wahr“, betonte eine der beiden Polizistinnen. Sie verdeutlichte es am Beispiel eines jugendlichen Räubers, der einer alten Dame ihre Handtasche stahl. Dafür werde er von einem wohlgesonnenen Richter „nur“ zu 30 Sozialstunden verurteilt, um ihm noch eine Chance zur Besserung zu geben. Die alte Dame, die während des Überfalls gefallen ist und bestohlen wurde, traut sich vielleicht aus Angst nicht mehr auf die Straße. Ob das Urteil gerecht sei, beurteile wohl jede der beiden Parteien auf seine Weise. Von den Jugendlichen wünschten sich die Polizistinnen, dass sie mit offenen Augen durch die Welt gehen, bei Gefahr die 110 wählen und damit Zivilcourage zeigten, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen. Der Besuch der Jugendlichen im Polizeipräsidium sei auch für die Polizei wichtig, um nicht „nur als anonymer Polizeiapparat wahrgenommen zu werden“. Als Andenken bekamen die Polizistinnen von Jugendleiter Thomas Burgmer ein kleines Kreuz aus ihrem Viertel Vingst-Höhenberg. Das Lied „Lass uns den Weg der Gerechtigkeit gehen“ beendete den Besuch im Kalker Präsidium. Die U-Bahn brachte alle zur letzten Station des Jugendkreuzweges nach Vingst.
Vierte Station St.Theodor – Jesus stirbt am Kreuz
An der Kirche angekommen, führte Jugendleiter Thomas Burgmer die Gruppe nicht in den Kirchenraum, sondern rechts vorbei in die Unterkirche, in den „Bauch“ von St. Theodor. Inj eine riesige Halle – Lagerraum, Vorratskammer und Reparaturwerkstatt in einem. In der einen Ecke stapelten sich Fahrräder und Werkzeug, an einer Wand große Regale mit Dekomaterial und Vorräten an Wasserflaschen. Am Eingang begrüßte ein Gabelstabler die Gäste. Mittendrin waren Bierbänke und Tische aufgestellt und mit Servietten, Trinkbechern und Getränken bestückt. Bevor hier der Jugendkreuzweg beim Essen und Trinken sein Ende fand, machte sich die Gruppe nach einer kleinen Andacht noch einmal auf in die Dunkelheit. Die Treppen zum Turm von St. Theodor führen schneckenförmig um die Kirche herum und an der linken Wand befinden sich kleine Nischen. Sie bieten Raum, um an die 14 Stationen zu erinnern, die Jesus auf dem Weg zum Kreuz durchlaufen hat. An jeder Station stand eine Grabkerze. Oben auf dem runden Schotterplatz vor dem Kirchturm bildeten die Kerzen dann das Licht im Dunkel in Form eines Kreuzes. Ein eisiger Wind wehte auf dem Kirchendach, es war kalt, dunkel und ungemütlich, aber „Durch das Dunkel hindurch scheint der Himmel hell“. Mit diesem gemeinsamen Lied endete der Jugendkreuzweg in Köln. Unten, im „Bauch“ der Kirche warteten warmer Tee, Limonade und gefüllte Blätterteigtaschen auf die Jugendlichen.
Premiere gelungen
Der erste ökumenische Jugendkreuzzug in Köln war ein Erfolg: 80 Menschen, davon überwiegend Jugendliche ab 13 Jahren, wanderten und fuhren über zwei Stunden gemeinsam durch die Stadt, um sich an vier verschiedenen Stationen an den Leidensweg Jesu zu erinnern. Die Reaktionen der Jugendlichen waren sehr positiv, berichtet Werner Völker, Stadtjugendpfarrer des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region. Während der einzelnen Stationen beobachtete er die Jugendlichen, die in seiner Nähe saßen und bemerkte, wie sie bei bestimmten Aussagen mitfühlten. „Ich glaube, da haben wir schon eine ganze Menge in Bewegung gesetzt und da ist einiges angekommen“, resümiert er zufrieden. Die 15-jährige Eva findet den Jugendkreuzweg besonders interessant „und deswegen fände ich es eine gute Idee, wenn das jedes Jahr stattfinden würde.“ Ob es 2014 wieder einen gemeinsamen ökumenischen Jugendkreuzweg geben wird, entscheidet das Vorbereitungsteam nach einer Auswertung im April. Die Chancen stehen gut. Als nächstes ökumenisches Projekt in Köln steht der ökumenische Brückenweg zu Pfingsten an, dann werden auch freie und orthodoxe Kirchen mit dabei sein.
Foto(s): Jutta Hölscher