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60 Jahre Oratorienchor Köln

Der Oratorienchor Köln feiert gemeinsam mit seinem Dirigenten Andreas Meisner in diesem Jahr sein 60-jähriges Bestehen. Mit seinen derzeit 110 bis 120 Sängerinnen und Sängern ist er nicht nur seit vielen Jahren der größte Konzertchor in Köln und Umgebung, er zählt auch zu den leistungsfähigsten Konzertchören in NRW.

Ein Blick in sechs Jahrzehnte Chorgeschichte fördert Eindrucksvolles zutage: Der heutige Oratorienchor Köln wurde 1957 vom damaligen Kölner Kirchenmusikdirektor Gerhard Bork unter dem Namen "Chorgemeinschaft im evangelischen Stadtkirchenverband" gegründet. Bork, der damals aus Krefeld nach Köln gekommen war, hatte großen Anteil am Wiederaufbau der Kirchenmusik in Köln nach dem Krieg und war neben der kirchenmusikalischen Ausbildung am Konservatorium auch für den Orgelbau im kriegszerstörten Köln zuständig und einer der bekannten Chorleiter im Nachkriegs-Köln.

Mit seinem „evangelischen Chor“ pflegte er zunächst die großen barocken Werke von Johann Sebastian Bach und Georg Friedrich Händel. Ein erster Höhepunkt in der noch kurzen Chorgeschichte war 1965 die Aufführung des „Paulus“ von Felix Mendelssohn Bartholdy im damals neu erbauten Kölner Opernhaus. Ebenso war unter Borks Leitung 1969 im Gürzenich erstmals wieder Mendelssohns „Elias“ zu hören. Systematisch erarbeitete sich der Chor ein Repertoire, das sich vom Barock über die Klassik und Romantik bis hin zur damaligen Modere (z.B. Günter Raphael und Heinz Werner Zimmermann) spannte. Nach dem Ausscheiden von Gerhard Bork 1980 leiteten übergangsweise Wolfgang Karius und Paul Nancekievill den Chor, bevor 1986 der junge und frischberufene Altenberger Domorganist Andreas Meisner am Dirigentenpult Platz nahm. Unter dessen umsichtiger, mittlerweile 32-jähriger Leitung hat der Chor stets das geistliche Repertoire der großen Kirchenmusik von Bach, Händel, Mozart und Mendelssohn weiter gepflegt, sich zugleich aber auch zunehmend Kompositionen der Romantik und Spätromantik wie z.B. von Brahms, Berlioz und Fauré zugewandt. Auch monumentale Werke romantischer und moderner Komponisten wie Duruflé, Reger, Pärt, Dvorak, Schostakowitsch, Schönberg, Dupré, Widor, Mahler und Messiaen standen in den letzten Jahrzehnten zunehmend auf dem Programm.

Mit der Übernahme des Dirigates durch Andreas Meisner waren nach 1986 zwei Dinge verbunden. Einerseits wuchs die Mitgliederzahl von damals bescheidenen 45 Sängerinnen und Sängern sehr bald auf die heutige Größe jenseits der Einhundert. Andererseits erhielt die "Chorgemeinschaft im evangelischen Stadtkirchenverband" einen griffigen Namen und eine neue Rechtsform. Der „ORATORIENCHOR KÖLN e.V. im evangelischen Kirchenverband Köln und Region“ wurde gegründet und seitdem prägt der Oratorienchor Köln die Kölner Chorszene aktiv mit, nicht ohne seine evangelischen Wurzeln zu vergessen.

Unter Meisner erweiterte sich der Aktionsradius des Chores, der bis dahin vorwiegend in und um Köln gesungen hatte: anlässlich des Flandern-Festivals in Mechelen/Belgien wurden 1996 Werke von Flor Peeters aufgeführt. 1999 konzertierte der Chor in Zusammenarbeit mit dem Chœur de l'Armée Francaise in der Pariser Kirche La Madeleine mit Werken von Dupré, Widor und Mauersberger und im Altenberger Dom beteiligte er sich am Bachzyklus 2000. Auf Einladung der Staatlichen Philharmonie Transilvania gastierte der Chor 2002 mit Mahlers 2. Sinfonie in Klausenburg/Rumänien. Im Juli 2004 folgte der Chor einer Einladung des Dean of Liverpool. Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Cathedral of Liverpool wurde im Rahmen eines Festkonzertes das Requiem von Mozart aufgeführt. Seit Anfang 2001 besteht eine freundschaftliche Zusammenarbeit mit dem CHŒUR DE CHAMBRE DE LA CITÉ, Paris.
Bei aller Reisetätigkeit: Der Oratorienchor Köln ist weiterhin in Köln und Region gut verortet: Er ist Mitglied des Netzwerks Kölner Chöre und hat seit Jahren einen festen Platz im Konzertplan der Kölner Philharmonie, der Kölner Trinitatiskirche und des Altenberger Doms.

Über das 60-jährige Chorjubiläum zu berichten geht nicht, ohne auch ein paar Worte über Andreas Meisner zu schreiben, den Mann, der nun im vierten Jahrzehnt die Geschicke seines Ensembles lenkt. Während vielerorts Chöre kleiner werden und über Nachwuchssorgen sprechen ist der Oratorienchor seit Jahrzehnten eine konstante Größe unter den Konzertchören. Was macht Andreas Meisner anders als viele seiner Kolleginnen und Kollegen, dass jeden Dienstag um 19.30 Uhr mehr als hundert Sängerinnen und Sänger trotz chaotischer Verkehrs- und Parkverhältnisse zu seinen Proben in die Thomaskirche am Lentpark strömen?

Wer Andreas Meisner begegnet, erlebt einen freundlichen, bescheidenen und zugleich hochkompetenten Kirchenmusiker. Er scheint es nicht nötig zu haben, sein Gegenüber spüren zu lassen, dass ein echter Ausnahmemusiker vor im steht. Meisner war mit seiner Berufung zum Altenberger Domorganist im Alter von 26 Jahren nicht nur ein hochbegabter Frühstarter. Er ist ein echter Langstreckenläufer, denn er hält seitdem sein exzellentes musikalisches Niveau nicht nur als international renommierter Konzertorganist aufrecht. Auch als Dirigent und Chorleiter – er leitet neben dem Oratorienchor auch seit Jahrzehnten noch die Altenberger Domkantorei – hat er sich vor allem im Bereich der großen Chorsinfonik eine große Expertise erarbeitet. Seit 1985 prägt er für die evangelische Gemeinde Altenberg/Schildgen die musikalische Arbeit am ökumenischen Altenberger Dom und „ganz nebenbei“ spielt er immer wieder neue CD´s ein und macht regelmäßig Aufnahmen mit dem WDR. Für diese große Lebensleistung wurde er von der Landeskirche zum Kirchenmusikdirektor ernannt. Und so scheint es diese Mischung aus musikalischer Kompetenz, großem Organisationstalent, Kollegialität, Freundlichkeit und natürlicher Autorität zu sein, die es ihm über Jahrzehnte gelingen lässt, Menschen aller Altersstufen für Musik zu begeistern und sie zu Höchstleistungen zu führen.

Andreas Meisner und sein Oratorienchor Köln haben auch im Jahr des 500. Reformationsjubiläums große Pläne. Am 6. Juli gestaltet der Chor im Altenberger Dom ein „Evangelisches Fest“. Zu hören sind dann der 98. Psalm und die Reformationssinfonie von Mendelssohn sowie der 100. Psalm von Max Reger. Dann wirkt der Oratorienchor mit beim Festakt zum Reformationsjubiläum in der Kölner Philharmonie am 29. Oktober und singt gemeinsam mit weiteren Chören die Sinfonie „Lobgesang“ von Mendelssohn. Und im kommenden Jahr steht das „Requiem b-Moll“ op. 89 von Antonin Dvorak auf dem Programm, wenn die über hundert Sängerinnen und Sänger erneut das große Rund der Kölner Philharmonie füllen werden. Die 60 Jahre alte Erfolgsgeschichte geht damit weiter.

Text: Wolf-Rüdiger Spieler
Foto(s): Wolf-Rüdiger Spieler