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50 Jahre Dietrich-Bonhoeffer-Kirche in Junkersdorf: neun Monate großes Programm!

„Wir werden 50 und gleichzeitig selbstständig!“, freut sich Pfarrerin Regina Doffing über das Jubiläum der Dietrich-Bonhoeffer-Kirche in der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Junkersdorf, die ab 2015 als ehemaliger Bezirk der Evangelischen Kirchengemeinde Weiden eine eigenständige Gemeinde bilden wird. Neun Monate lang wird gefeiert.
„Dann weiß es auch der Letzte!“, sagt sie.

Die Gemeinde hat sich ein großes Programm vorgenommen, und ohne die tatkräftige Unterstützung engagierter Gemeindeglieder wäre das sicher nicht zu organisieren. So hat als Hauptorganisator Presbyter Andreas Spellig die Planung der Jubiläumsveranstaltungen in die Hand genommen. „Eigentlich hatte ich mich für die Organisation einer Veranstaltung gemeldet – jetzt plane ich alles“, schmunzelt er.

Ab Januar jede Woche eine Veranstaltung
Die Auftaktveranstaltung der insgesamt fast 30 kulturellen und geistlichen Angebote für Jung und Alt fand am 28. September mit einem großen Eröffnungsgottesdienst mit Bachkantate und Alt-Präses Manfred Kock, ehemaliger Ratsvorsitzender der EKD, statt. Seitdem wird mit einem vielfältigem Programm von Theateraufführungen, Konzerten, Lesungen, Gottesdiensten, Vorträgen, Stadtführungen, Karnevalsumzug bis hin zum krönenden Abschluss – ein „Dinner in white“ am Vorabend des Gemeindefestes am 21. Juni 2015 – gefeiert. „Eigentlich wurde die Kirche Anfang Juli 1965 eingeweiht, aber wegen der Sommerferien haben wir den Termin auf den Juni vorgezogen“, berichtet Doffing und fügt hinzu: „Wenn wir Glück haben, kommt auch noch Gentleman!“ Ab Januar 2015 gebe es dann fast jede Woche eine Veranstaltung, betont Spellig.

Musikalische Reise durch das Judentum
So lud die Gemeinde Anfang November zu einer „musikalischen Reise durch das Judentum“ in die Dietrich-Bonhoeffer-Kirche ein. Die Sängerin Esther Lorenz, begleitet von dem Gitarristen Peter Kuhz, präsentierte melancholische, fröhliche, traurige und sehnsuchtsvolle Lieder und Melodien aus dem alten und neuen Israel. „Nur wer für die Juden schreit, darf gregorianisch singen!“, zitierte Andreas Spellig in seiner Begrüßung Dietrich Bonhoeffer. „Viele unserer Jubiläumsveranstaltungen haben einen direkten Bezug zu Bonhoeffer sowie zu den dunklen Kapiteln deutscher Geschichte, wo so vieles zugrunde gegangen ist, wie bei der Reichspogromnacht am 9. November.“

Geschichten und jüdische Bräuche aus verschiedenen Epochen
Während des Konzertes erfuhr man in Liedern und Geschichten von den Sehnsüchten und Hoffnungen jüdischer Menschen, von Liebe und Trauer, ihrer Nähe zu Gott und ihrer Freude an Gott. Geschichten und jüdische Bräuche aus verschiedenen Epochen wurden den Zuschauerinnen und Zuschauern musikalisch nahe gebracht. Gesang sei ein integraler Bestandteil des Judentums, erklärte Esther Lorenz. Die von ihr vorgetragenen Lieder – in hebräischer oder aramäischer Sprache – sowie die solistischen Gitarrenstücke von Peter Kuhz ließen einen sofort eintauchen in eine andere Welt und vermittelten eine Stimmung von Melancholie, aber auch von Freude. So verspürte man etwa bei dem Lied mit dem Titel „Sus Etz“ (Hölzernes Pferd), das in dem 1960 erschienenen deutsch-israelischen Film „Blazing Sand“ (Brennender Sand), in dem drei Freunde in der Felsenstadt Petra biblische Schriftrollen von König Salomon suchen, den Wunsch, sich zu der beschwingten Melodie zu bewegen und zu tanzen. Ein anderes Lied, dessen Text erstmalig im Jahr 1601 in Venedig von einem jüdischen Gelehrten in einem geistlichen Handbuch abgedruckt wurde, handelte von der Opferbereitschaft Abrahams (1. Mose, 22). Daraus hätten sich viele Lehren und Legenden gebildet, denn diese Opferbereitschaft sei in der jüdischen Geschichte von jeder Generation immer wieder gefordert worden, erklärte die Sängerin.

Erinnerung an sephardische Juden
Von den 16 Millionen Juden weltweit waren 4,5 Millionen spanischer Herkunft, die Sepharden. Mit ihrer Vertreibung durch das spanische Königspaar, das veranlasste, dass sie im Jahr 1492 innerhalb von drei Monaten das Land verlassen mussten, verlor Spanien ein geistiges und wirtschaftliches Potential. Spanien sei jahrhundertelang das geistige Zentrum der jüdischen Welt gewesen, berichtete Lorenz. Mit dem Wiegenlied einer Mutter für ihren Sohn erinnerte sie an die sephardischen Juden – ein trauriges Wiegenlied, in dem die Mutter das Verlassen-Werden durch den Vater besingt, der „nicht von der Arbeit, sondern von einer neuen Liebe nach Hause kommt“.

Lieder von der Liebe
Aber die Liebe wurde auch freudig besungen, etwa mit dem Lied „Der Abend der Rose“ – auch „Der Abend der Lilie“ genannt – das gern auf Hochzeiten gesungen wird. „Sie können es sich aussuchen, denn für Rose und Lilie gibt es nur ein hebräisches Wort“, erklärte Lorenz. „Lass uns in das Wäldchen gehen. Myrrhe, Gewürz und Weihrauch sind der Teppich, auf dem wir gehen. Langsam kommt die Nacht. Eine Brise von Rosenduft weht…“, zitierte sie den Liedtext, der, wie sie angab, auch aus dem „Hohen Lied der Liebe“ stammen könnte.

Humor und Streitkultur im Judentum
Und auch der Humor und die Streitkultur waren Themen an diesem Vortragsabend – allerdings nicht in einem Lied, sondern in einer Geschichte über einen Rabbi, der seinen Schülern die Geschichte vom Holzfäller erzählte, dem Gott Frauenbrüste wachsen ließ, damit er seinen Säugling nähren konnte, mit dem er ganz alleine war. Das gefiel den Schülern nicht. Gott hätte dem Holzfäller schließlich auch Geld schenken können, damit er sich eine Amme leisten könne. Die Erklärung des Rabbis: „Warum soll Gott Bargeld ausgeben, wenn er mit einem Wunder auskommen kann?“

Rabbi Erwin Schild am 12. November zu Gast
Die Junkersdorfer Gemeinde, und nicht nur die, darf sich auf weitere bemerkenswerte Veranstaltungen während des Kirchenjubiläums freuen. Schon am Mittwoch, 12. November, 19.30 Uhr, wird Rabbi Erwin Schild aus Toronto mit einem Vortrag (Die jüdischen Festtage – ethische Werte vom jüdischen Jahreskalender) zu Gast im Gemeindesaal der Kirche sein. Darüber freut sich Pfarrerin Doffing ganz besonders, denn sie hat ihn erst kürzlich in Toronto besucht und überreden können, nach mehreren abgesagten Einladungen nun endlich seinen Besuch in der Gemeinde zuzusagen. Für den 94-jährigen Rabbi wird dies eine Reise in seine alte Heimat sein, denn er ist in Köln-Mülheim aufgewachsen. 1938 wurde er von den Nazis nach Dachau deportiert, wo ihm jedoch die Flucht gelang. Schild setzt sich nachhaltig für eine Verständigung zwischen Christen und Juden ein.

Singen und Helfen
„Sing & Help“ heißt es am ersten Adventssonntag, 30. November, 16 Uhr, in der Dietrich-Bonhoeffer-Kirche, Birkenallee 20. Waffeln und Kuchen gibt es bereits ab 15 Uhr.

Kunst und Helfen
„Art & Help – ein Kind ist uns geboren“ ist eine Ausstellung mit der Küstlerin Sabine Störring überschrieben. Zur Vernissage wird für Freitag, 5. Dezember, 19 Uhr, in die Dietrich-Bonhoeffer-Kirche geladen. Geöffnet ist die Ausstellung am Samstag, 6. Dezember, von 15 bis 18 Uhr, und am Sonntag, 7. Dezember, von 16 bis 19 Uhr. Zu sehen sind Aquarellbilder mit Engelmotiven und anderen.

Die Veranstaltungen und Termine in Junkersdorf finden sich auch auf der Facebook-Seite „Kirche im Dorf“.

Text: Susanne Hermanns
Foto(s): Susanne Hermanns