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Foto (v.l.): Bernhard Seiger, "Hans", "Lisbeth", Sven Torjuul und Wolfgang Raspe.

450 Jahre evangelische Gemeinde in Frechen – Rückblick auf einen Festgottesdienst

Es gibt weiß Gott nicht viele evangelische Gemeinden im Rheinland mit einer derart langen Geschichte. Im Jahr des Herrn 1575 – vor sage und schreibe 450 Jahren – wurden in Frechen der Heidelberger Katechismus und eine Gemeindeleitung durch Presbyter eingeführt. Grund genug, auch für einen Festgottesdienst. Seit 1568 gab es in Frechen bereits einen Prediger für die etwa 200 Evangelischen. 1717 wurde die evangelische Kirche in Frechen eingeweiht. Sie erhielt 1781 einen „Kölner Anbau“ für Gottesdienstbesucher aus der nahen Großstadt, wo evangelische Gottesdienste bis 1802 verboten waren.

„Wir sind Teil einer größeren Geschichte“

„Wir sind Teil einer größeren Geschichte“, sagte Pfarrer Sven Torjuul bei der Begrüßung der Gemeindeglieder im Gottesdienst. „Es wird Menschen vor uns und nach uns geben.“ Die, die vorher gelebt hätten, säßen schon am Tisch Gottes. „Beim Abendmahl setzen wir uns dazu.“ Die heutigen Sorgen seien kein Grund, die Flinte ins Korn zu werfen.

Lisbeth und Hans, zwei Schauspieler, schlüpften in die Rollen eines evangelischen Paares zur Zeit der Gemeindegründung. Damals habe man die Glaubensbrüder und -schwestern in Köln um Hilfe gebeten. Und tatsächlich hätten die – auf Intervention der Aachener Synode – einen Prediger nach Frechen geschickt. Für Gemeindeglieder wie Hans bedeutete die Gründung der Gemeinde viel Arbeit. Die Kirchenordnung nach dem Heidelberger Katechismus hatte 150 Kapitel – und die wollten gelernt sein. „Das ist nix für meinen Bauernschädel“, gestand er Lisbeth ein. „Willst du etwa zurück zur alten Religion?“, schimpfte die. „Das sollte man am besten gar nicht wissen.“

Hören, handeln, gestalten – Evangelisch in Frechen

Bernhard Seiger, Superintendent des Ev. Kirchenkreises Köln-Süd, sprach von der ältesten evangelischen Gemeinde im linksrheinischen Kölner Raum. Hören sei wichtig. „Der Demütige kann hören, der Hochmütige muss nicht.“ Die Jünger hätten dem Meister aus Nazareth zugehört und nachgedacht. In Frechen habe man dem Prediger zugehört, der auch Lehrer gewesen sei. Man habe eine Ordnung gebraucht – eine reformierte Kirchenordnung. Und man habe Examen abgelegt, sozusagen den evangelischen Führerschein gemacht.

Seiger lobte die Gemeinde ausdrücklich dafür, dass „Sie in Frechen ihr Archiv so gut in Ordnung halten“. Auch heute gelte es zu hören. Pfarrpersonen, Prädikanten und viele andere erzählten, was sie von Gott gehört hätten. „Sie erzählen, was sie von Gottes Wort gehört haben.“ Gott sei da, wo die Menschen ehrlich seien, sagte der Stadtsuperintendent – in der Gemeinschaft.

Anfangs haben sich die Evangelischen in Privathäusern getroffen. Es gab die Bibel auf Deutsch – jeder konnte sie verstehen. Durch den Buchdruck erfuhr sie weite Verbreitung. Bernhard Seiger erinnerte an den Kirchbau 1716/1717: „Damit wurden die Protestanten öffentlich sichtbar und feierten Gottesdienste als Tankstellen für die Seelen“, so der Superintendent. 2014 habe man den Innenraum behutsam verändert, auch das Dach wurde erneuert. „Diese Kirche wird lange stehen.“

Glaube in Bewegung: Für die Zukunft gerüstet

Machen sei wichtig. Die Jünger seien ausgeschwärmt – nach Rom, Israel, Griechenland und Kleinasien. Schon Jesus Christus habe dazu aufgerufen, sich um die Menschen zu kümmern. Bernhard Seiger lobte die Arbeit der Gemeinde in Frechen: die Jugendarbeit, die Zusammenarbeit mit Schulen, die Arbeit im Kindergarten. Wenn man schon Standorte aufgeben müsse, müsse man das Zentrum stark machen – für die Zukunft.

„Es ist nicht alles rosig. Es sind nicht die Massen, die wir erreichen“, räumte der Superintendent ein. Es werde weniger Menschen im Pfarrdienst geben. „In Zukunft wird einiges klappen, anderes nicht. Entscheidend für das Tun ist die Reihenfolge: Kirche ist das, was wir als Nächstes machen.“

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann