„Das war das Geschäft meines Lebens!“ Mit unverhohlener Begeisterung berichtete eine ehrenamtliche Mitarbeiterin von ihrer Arbeit in der Evangelischen TelefonSeelsorge Köln. Und dazu war sie befugt wie niemand sonst. Schließlich leistet sie seit sage und schreibe 37 Jahren Dienst am Telefon. Damit gehört sie sozusagen zu den „Gründungsvätern und -müttern“ der TS, deren Mitarbeitende und Gäste jetzt den 40. Geburtstag der Einrichtung mit einem Festakt in der Kartause feierten.
Viele Anrufe drehten sich um die Themen Abtreibung und Missbrauch
Aus- und Fortbildungen gab es damals nicht. „Man wurde berufen wie in ein Schöffenamt und ins kalte Wasser geworfen. Ein paar Hospitationsnächte, und schon saß ich am Telefon. Und siehe da: Ich konnte schwimmen“, so die Erinnerung der Ehrenamtlichen. Als die Frau ihren Dienst antrat, war Homosexualität noch strafbar. Viele Anrufe drehten sich um die Themen Abtreibung und Missbrauch. Nachts riefen oft suizidgefährdete Menschen an. „Es gab noch nicht die Psychiatrie in Merheim, und es gab noch keine Selbsthilfegruppen“, so die Ehrenamtlerin. Die Themen hätten sich verändert. Heute stünden Drogenprobleme, Aids, Arbeitslosigkeit und Spielsucht ganz oben auf der Tagesordnung.
20.000 Anrufe pro Jahr in der Evangelischen TelefonSeelsorge
40 Jahre Evangelische TS Köln, das ist auch die Geschichte einer rasanten Entwicklung. In den ersten 15 Monaten zählte man 2.595 Anrufe. Heute sind es 20.000 pro Jahr, zählt man die Katholische Telefonseelsorge hinzu, sind es 40.000 Anrufe jährlich. 1970 startete man in der evangelischen TS den Versuch, einen 24-Stunden-Dienst einzuführen. Mit 20 Mitarbeitenden. Heute ist die Erreichbarkeit der TS rund um die Uhr Standard und die Zahl der ehrenamtlich Tätigen auf 80 gestiegen. In den vergangenen 40 Jahren haben die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sage und schreibe 350.000 Stunden Gespräche am Telefon geführt. Seit 1998 ist die TS auch per E-Mail erreichbar. Vor allem jüngere Menschen nutzen diesen Weg, ihre Sorgen und Nöte mitzuteilen.
Pfarrerin Koye: „Jubiläen sollte man unbedingt feiern. Sie sind ein Schutz gegen das Vergessen“
Zahlreiche Gäste waren zum Gottesdienst, in dem Altpräses Manfred Kock die Predigt hielt, und zum Festakt ins Haus der Evangelischen Kirche gekommen und wurden von Pfarrerin Gabriele Koye, Leiterin der Evangelischen TS Köln, begrüßt. Sie erinnerte daran, dass die Seelsorge am Telefon eigentlich vor 50 Jahren anfing. Zehn Jahre lang betrieb Georg von Brevern die Telefonseelsorge mit Unterstützung seiner Frau von seiner Privatwohnung aus, zunächst als Mitarbeiter der Inneren Mission, danach im Auftrag des Amtes für Diakonie. Am 1. Oktober 1968 nahm die evangelische TS dann offiziell ihre Arbeit auf. „Jubiläen sollte man unbedingt feiern. Sie sind ein Schutz gegen das Vergessen“, sagte Koye. Rolf Domning, stellvertretender Stadtsuperintendent, ist seit acht Jahren als Superintendent zuständig für die Telefonseelsorge im Evangelischen Kirchenverband Köln und Region. Er wandte sich an die Ehrenamtler: „Was Sie leisten, kann man nicht hoch genug einschätzen.“ Er verwies auf die seelische Belastung der TS-Mitarbeitenden, die „man nicht einfach in den Räumen der TS zurücklässt.“ „Sie sind ein großer Gewinn für unsere Stadt“, sagte Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes in ihrem Grußwort: „Sie sorgen dafür, dass unsere Stadt ein Stück sozialer und solidarischer ist. Sie stärken die Würde der Menschen. Eigentlich hätte jede und jeder von Ihnen das Bundesverdienstkreuz verdient.“ Scho-Antwerpes mahnte die Ehrenamtlichen, daran zu denken, auch an sich selbst zu denken. „Sehen Sie zu, dass Sie Ihre Energien immer wieder aufladen.“
„Es bedeutet viel kontinuierliche Arbeit nach innen und außen, um diesen Standard zu halten“
Annelie Bracke, Leiterin der Katholischen Telefonseelsorge Köln, die zehn Jahre nach der Evangelischen TS gegründet wurde, bedankte sich für das „geschwisterliche Miteinander“ der beiden Einrichtungen. Die TS stehe für die gute geschwisterliche Ökumene. Bewunderung verdiene die konstante Zahl von 80 Mitarbeitenden in der evangelischen TS. „Es bedeutet viel kontinuierliche Arbeit nach innen und außen, um diesen Standard zu halten.“ Pfarrer Werner Korsten, stellvertretender Vorsitzender der Evangelischen Konferenz für Telefonseelsorge und Offene Tür, zitierte schließlich aus der Bibel. Als Motto für die TS könne ein Wort aus dem Buch Jesus Sirach gelten: „Sei schnell bereit zum Hören und lass Dir Zeit, freundlich zu antworten. Verstehst Du etwas von der Sache, so erkläre es Deinem Nächsten, wenn nicht, so halt Deinen Mund.“
Foto(s): Stefan Rahmann