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300 Jahre nach Uraufführung: Kreiskantorei Köln-Nord führt Johannespassion in der Trinitatiskirche auf

Am Karfreitag, 29. März 2024, erklang die Johannespassion BWV 245 von Johann Sebastian Bach in der Interpretation von Kreiskantor Thomas Pehlken in der voll besetzten Trinitatiskirche. Neben fünf Vokalsolisten musizierten die Kreiskantorei Köln-Nord und das Orchester CONCERT ROYAL Köln. Das Datum der Aufführung war mit Bedacht gewählt, denn die Aufführung von Bachs Meisterwerk fand genau 300 Jahre nach der Uraufführung in der Leipziger Nicolaikirche im Karfreitagsgottesdienst 1724 statt. Bach schrieb seine Vertonung der Leidensgeschichte nach dem Johannesevangelium kurz nach dem Antritt seiner neuen Arbeitsstelle in der Thomaskirche. Dramatisch und kraftvoll erzählt er in seinem zweistündigen Werk die Passionsgeschichte von Verrat und Gefangennahme, Verleugnung, Verhör und Geißelung, Kreuzigung, Tod Jesu und schließlich der Grablegung.

Dirigent Thomas Pehlken beschreibt seine Faszination für die Musik Bachs: „Besonders durch die Choräle, die die biblische Erzählung von Jesu Leiden und Sterben unterbrechen, holt Bach die Zuhörer in das Geschehen hinein. So entsteht eine starke Klammer vom historischen Jesus über den frühchristlichen Text des Evangelisten Johannes, über Liederdichter des 17. Jahrhunderts, die Musik des 18. Jahrhunderts bis hin zu ganz konkreten Fragen an uns: „Was willst du deines Ortes tun?“

Eine Besonderheit der konzertanten Aufführung in der Trinitatiskirche, war, dass das Konzert bei freiem Eintritt durchgeführt wurde. Dies war ein finanzieller Kraftakt des Ev. Kirchenkreises Köln-Nord. „Wir zahlen die marktüblichen Gagen“, erläutert Thomas Pehlken. „Fünf Solisten und ein gutes Orchester sind nicht billig, aber wir machen solche aufwändigen Konzerte nur alle drei Jahre. Die Refinanzierung durch Eintrittskarten sehe ich grundsätzlich kritisch. Warum sollte die Kirche für eine ihrer zentralsten Aufgaben, die Verkündigung biblischer Botschaften – zumal für eine Passionserzählung am Karfreitag – Geld verlangen? Dadurch schließen wir Menschen aus, gerade Menschen, die Bachs Passionen nicht in der Philharmonie hören können. Am Ende unseres Konzerts darf gespendet werden. Das halte ich für eine gute Lösung.“ Der Plan ging auf: mehr als 500 Zuhörerinnen und Zuhörer hatten sich von der großartigen Musik bei freiem Eintritt anlocken lassen und die weiträumige Trinitatiskirche war bis auf den letzten Platz besetzt.

Thomas Pehlken hat sich bei der Kölner Aufführung schon bei der Wahl der Stimmtonhöhe eng an der historischen Aufführungspraxis orientiert: „Wir musizieren in 415 Hz und haben das auch in allen Proben so getan. Die Argumente der historischen Aufführungspraxis haben mich über die Jahre überzeugt. Man kommt dadurch nicht nur dem Klang der Bachzeit näher, sondern auch der Partitur selbst.“ Auch die Solisten hat er nach diesen Kriterien ausgewählt: „Bis auf Florian Dengler, der aus Bayern zu uns kommt, haben die anderen alle einen Bezug zum Kirchenkreis Köln-Nord, Johannes Klüser (Tenor) und Norbert Keßler (Bass) seit vielen Jahren. Ich kann gut mit ihnen arbeiten, darüber hinaus sind allesamt echte Kenner der Materie. Sie singen nicht nur ihren Part, sondern verstehen das ganze Werk.“ Neben den drei genannten Solisten wirkten noch Elisabeth Menke (Sopran) und Elvira Bill (Alt) mit. Das mit Spezialisten für Barockmusik besetzte Orchester verwendete historische Instrumente und war unter der Führung von Konzertmeisterin Ann Cnop für den präsenten Chor und die gut harmonierenden Solisten über zwei Stunden lang ein klangvoller und verlässlicher Partner.

Die Kreiskantorei Köln-Nord ist ein Projektchor bestehend aus rund 35 Sängerinnen und Sängern, die sich projektweise zu musikalisch besonders gestalteten Gottesdiensten und Konzerten treffen. Die Mitglieder kommen vorwiegend aus dem Kölner Norden, es gibt aber auch einzelne Sängerinnen und Sänger aus anderen Kirchenkreisen. Thomas Pehlken leitet die Kreiskantorei seit 2006. Ihm ist es – als kollegialer Teamplayer – allerdings wichtig zu betonen, dass er als Kreiskantor nicht der alleinige Leiter ist, sondern der Dirigierstab im Kreis der Kolleginnen und Kollegen regelmäßig weitergegeben wird. „Die Kreiskantorei Köln-Nord wurde stets von Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker aus dem Kirchenkreis Köln-Nord geleitet, darunter Iossif Nedzvetski, Joachim Diessner, Denise Seidel, Yuko Nishimura-Kopp, Annerose Rademann oder Matthias Roeseler.“, so Pehlken.

Für Kreiskantor Pehlken hat die Aufführung der Johannespassion am Karfreitag neben der Musik auch eine große theologische Dimension: „Der wesentliche Aspekt ist durch das Johannes-Evangelium vorgegeben: Jesus ist bei Johannes kein verzweifeltes, verlassenes Opfer, sondern tritt in allen Situationen herrschaftlich auf. Er weiß, was kommt und was er zu tun hat. Sein letzter Satz lautet: „Es ist vollbracht.“ Ein solch großes Projekt, für das immerhin elf Proben und eine ganztägige Generalprobe nötig waren, stemmen Kreiskantorei Köln-Nord und Kirchenkreis nicht jedes Jahr. Für die kommenden Monate stehen Kantatengottesdienste und kleinere Auftritte auf dem Terminkalender, bevor es dann wieder auf das nächste Großprojekt zugeht.

Text: Wolf-Rüdiger Spieler
Foto(s): Wolf-Rüdiger Spieler