You are currently viewing 3. Tagung zum Thema „Alter“ in der Kölner Melanchthon-Akademie

3. Tagung zum Thema „Alter“ in der Kölner Melanchthon-Akademie

„Wir beschäftigen uns in der Akademie mit dem Thema Alter nicht, weil es 'in' ist, sondern weil es unsere gesamte Gesellschaft angeht“, begründet Dr. Martin Bock die dauerhaft notwendige Auseinandersetzung mit dem Thema. Der Pfarrer ist Leiter der Melanchthon-Akademie des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region. Die Akademie am Kartäuserwall in der Kölner Südstadt veranstaltet seit 2010 Tagungen zum „Alter“ unter sehr unterschiedlichen Aspekten. Durchgeführt werden die Tagungen in Kooperation mit der C.G. Jung-Gesellschaft Köln e.V. Die „gemeinsam kultivierte Form der Zusammenarbeit“ mit dem Verein zur Förderung der Analytischen Psychologie, die sich vor allem in regelmäßig einmal monatlich organisierten Vorträgen ausdrückt, ist in zweierlei Hinsicht naheliegend. Zunächst sind beide direkte Nachbarn, die Geschäftsstelle der C.G. Jung-Gesellschaft befindet sich im Akademie-Gebäude. Zudem gebe es „zwischen Psychologie und Seelsorge die gemeinsame Brücke der Lebenshilfe“, beschreibt Bock das spannende wie inspirierende Verhältnis.

Rapider Anstieg der Teilnehmenden
Vor kurzem ging die Tagungsreihe über das „Alter“ mit Vorträgen und vertiefenden Workshops in ihre dritte Runde. 2010 stand die Veranstaltung unter dem Motto „Herausforderung Alter“. Darin betrachteten die Teilnehmenden unter psychologischen und gerontologischen Gesichtspunkten diese Lebensphase. „Spiritualität im Alter“ lautete der vorjährige Schwerpunkt. „Wir haben versucht Aspekte zu behandeln, die eine psychologische und eine seelsorgerisch-theologische Ebene berühren“, erinnert Bock. „Das war genau richtig für die Menschen, die hierher kommen – für das Akademie-Publikum, für Kirchengemeinden und die Klientel der C.G. Jung-Gesellschaft.“ Mit dem diesjährigen Angebot „Hoffnung, Angst und Zuversicht im Alter“ nahm man eine weitere Perspektive auf das Thema ein. Verzeichneten die ersten beiden Tagungen 70 bis 100 Gäste, waren es zuletzt 200 Besuchende. Daher musste erstmals in das Haus der Evangelischen Kirche gewechselt werden. Die Workshops waren auf insgesamt 90 Plätze begrenzt und konnten deshalb wie gewohnt in den Räumen der Melanchthon-Akademie durchgeführt werden.

Ambivalenz zwischen Angst und Zuversicht
Im Mittelpunkt standen in diesem Jahr Überlegungen, wie man den „Schattenseiten“ der Lebensphase Alter begegnet. Es ging um ein „gelingendes Altern“ aus dem gelebten Leben heraus. Insbesondere um die Ambivalenz zwischen Angst und Zuversicht. Einerseits die Furcht vor dem Alter als eine Zeit des Umbruchs, der Unsicherheit und der Krisen mit entsprechender Schwermut. Andererseits um die verschiedenen Möglichkeiten, Zuversicht zu schöpfen und Perspektiven für das eigene Leben zu gewinnen. „Hoffnung und Vertrauen in dieser Lebensphase zu aktivieren und zu entdecken“, so Bock.

Das Erinnern einüben
„Was wirklich zählt, ist das gelebte Leben“, sprach Professorin Dr. Verena Kast aus St. Gallen über „die Kraft des Lebensrückblicks“. Die Lehranalytikerin am C.G. Jung-Institut Zürich und Vorsitzende der Internationalen Gesellschaft für Tiefenpsychologie empfahl, das Erinnern einzuüben. Es sei wichtig, so etwas wie eine Haltung der „kritischen Dankbarkeit“ dem eigenen Leben gegenüber zu üben, bevor man überrollt werde von einer gänzlich negativen Haltung, aus der man sich schwer lösen könne. Es gehe darum, Menschen zu finden, denen man seine Lebensgeschichte erzählen könne, vielleicht zum letzten Mal. Dadurch „wiederhole“ man sein Leben, mache es gegenwärtig. Mit allem, was es ausmache, mit dem Gelingen wie Scheitern, mit der Freude, auch mit der Schuld und Scham. Schließlich sollte ein solches Erinnern verbunden sein mit „dem Wunsch, dem Leben Sinn und Bedeutung zu geben“.

Vorsorge und Hilfe bei Depression
Der evangelische Theologe Klaus Depping, der unter anderem eine gerontopsychiatrische Zusatzausbildung und Lebensberatungsausbildung aufweist, hielt zunächst einen Vortrag über „Formen, Ursachen und Erscheinungsweisen von Ängsten und Depression im Alter“. Alsdann ging der Erwachsenenbildner aus Hannover, der in einem anderen Rahmen ein Projekt über die seelsorgliche Begleitung von verwirrten alten Menschen geleitet und darüber geschrieben hat, auf einen angemessenen Umgang mit diesen Schattenseiten ein. Laut Depping könnten dabei Sprache, Poesie und Musik, Religiosität und Spiritualität eine tragende Rolle spielen. In seinem Workshop nannte Depping praktische Hilfen für einen weiterführenden Umgang im Lebensalltag. Hilfen, die sich „in unterschiedlichen Problemlagen und Situationen bewährt haben“ – auch bezüglich des Selbstschutzes vor Depression und im Umgang mit depressiven Menschen.

Auch Märchen geben Zuversicht
„Ich will euch tragen, bis ihr grau werdet“, stellte Pfarrerin Monika Crohn ihren (geistlichen) Workshop unter das Wort Jesaja 46,6. Darin machte sie Vorschläge, was die älter werdende Seele benötigt, wenn sie sich auf das Alter einübt. Beispielsweise eine neue Berufung, einen weiteren, entsprechenden Beruf. In anderen Workshops machte etwa Professorin Dr. Brigitte Dorst, Vorsitzende der C.G. Jung-Gesellschaft Köln, mit therapeutischer Symbolarbeit in diesem Zusammenhang vertraut. Und daneben beschäftigten sich die Teilnehmenden unter Leitung von Dr. Renate Podehl-Sautner mit der Zuversicht gebenden Wirkung von Märchen.

Verantwortung für alte Menschen nicht wegdelegieren
In den Tagungen und weiteren Veranstaltungen zum Thema „Alter“ ging es unter anderem auch um das Überprüfen von bestehenden Ressourcen und um Möglichkeiten für ein Generationen übergreifendes Zusammenleben und -wohnen. Laut Bock müsse man jedoch selbstkritisch bleiben: „Es gibt nicht immer Lösungen.“ Beispielsweise nannte er Demenz, die mit großer Trauer zusammengehe oder Depression, die oft unterschätzt werde. "Es ist schwer, eine wirklich positive neue Haltung dazu zu finden.“ Letztlich gehe es um Solidarität. „Was machen Menschen, die nicht sterben können, obwohl sie ihr Leben abgeschlossen haben, was machen Menschen, die keine Bekannten mehr haben. Was machen sie mit ihrem eingeschränktem Leben und Radius. Das ist und bleibt ein hartes Brot.“ Als wichtig erachtet Bock, die Frage des Wohnens und Lebens immer wieder neu zu formulieren und aufzubrechen. „Die Verantwortung für alte Menschen dürfen wir nicht an Einrichtungen delegieren. Es geht darum, alte Menschen am gemeinsamen Leben teilhaben zu lassen und sie in unsere Gesellschaft zu integrieren“, fordert Bock.

Große Offenheit in den Gesprächen
„Die Tagungsreihe ist geprägt von einer großen Offenheit im Gespräch, von einem intensiven Aufeinanderhören“, freut sich Bock, und stellt fest: „Das Thema geht sehr nahe, es betrifft jeden.“ Er merke mehr und mehr, dass die eigenen Eltern froh und zuversichtlich bleiben könnten. „Ich empfinde das als große Verantwortung in unserer anderen Rolle, der Kinder-Rolle. Wir treten in eine Landschaft der Gefühle ein, die wir vielleicht selbst noch gar nicht kennen“, gewährt Bock auch einen ganz persönlichen Einblick. In Anbetracht der großen Resonanz auf die „Alters“-Tagungen sei eine Fortsetzung geradezu verpflichtend, kündigte er seitens der Melanchthon-Akademie weitere Veranstaltungen zum Thema an.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich