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25 Jahre Gemeindezentrum Friesheim: Gastlichkeit wird groß geschrieben

Seit 25 Jahren haben die evangelischen Christinnen und Christen in Friesheim, einem Stadtteil von Erftstadt, ein eigenes Gemeindezentrum. Mit einem Gottesdienst und anschließendem Empfang feierten sie das Jubiläum des Hauses, das eine große Bedeutung für das Gemeindeleben vor Ort hat. Musikalisch untermalt wurde der Gottesdienst vom Gospelchor Euskirchen, wenige Tage zuvor trat das Kirchenkabarett „Klüngelbeutel“ mit seinem Programm „Szenen einer Ehe“ in Friesheim auf.



Genuss ist wichtiger Bestandteil des Gemeindelebens
Gotteshaus und Genuss, diese zwei Begriffe sind keine natürlichen Zwillinge. Beim Rückblick auf 25 Jahre Gemeindezentrum an der Bolzengasse in Friesheim wird aber immer wieder deutlich, dass Genuss ein wichtiger Bestandteil des Gemeindelebens vor Ort ist. „Vor allem über das Essen und Trinken erreichen wir viele Bezugspunkte für die Menschen hier“, erzählt Helmut Schneider-Leßmann, Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Lechenich. „So wurde schon bei der Planung darauf geachtet, dass die Küche groß genug ist und der Herd frei steht“, schmunzelt er, „Gastlichkeit wird hier groß geschrieben!“

Ort zum Treffen und zum Leben
Das Gemeindezentrum entstand in einer Zeit, „in der die Kirche noch Geld hatte“, erinnert sich Schneider-Leßmann. In der „Diaspora“ in Friesheim leben etwa 1200 evangelische Christinnen und Christen. Nachdem in Gymnich, der anderen „Außenstelle“ der Lechenicher Gemeinde, bereits 1982 ein neues Gemeindezentrum eingeweiht worden war, sollten auch die Friesheimer einen eigenen Versammlungsort bekommen. Bis dahin fand nur einmal im Monat ein Gottesdienst in einer Sonderschule statt. Am Rande des Neubaugebiets an der Bolzengasse plante Architekt Peter Jöhnssen das Gemeindezentrum mit rund 240 Quadratmetern Nutzfläche. „Während die Gymnicher hauptsächlich einen Ort für Gottesdienste wollten, war es den Friesheimern wichtig, neben dem Altarraum auch einen Ort zum Treffen und zum Leben zu bekommen“, erinnert sich Schneider-Leßmann. Für damals rund eine Million Mark entstand der vielseitig nutzbare Neubau in rund einem Jahr. Am ersten Advent 1983 fand die Einweihung statt. Mit der Bibel und dem Abendmahlsgerät sind wir von der Schule in das neue Zentrum gezogen“, sagt der Pfarrer.

Vorreiterrolle für Gesamtgemeinde
Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit“ – Dieser Spruch auf dem Grundstein hat sich in den vergangenen 25 Jahren mehrfach bewahrheitet. „Das Gemeindezentrum hat oft eine Art Vorreiterrolle für die Gesamtgemeinde übernommen“, erklärt Schneider-Leßmann. So fand hier der erste Kleinkindergottesdienst statt, der später auch in Lechenich etabliert wurde. Gleiches gilt für das Seniorenfrühstück. Von Anfang an gibt es in Friesheim das sogenannte „Kirchencafé“, bei dem die Menschen nach dem Gottesdienst bei einer Tasse Kaffe zusammenkommen, und an einem Dienstag im Monat treffen sich dort regelmäßig Menschen zum gemeinsamen Kochen und Essen. Und zum Genießen. Auch ein Seniorenkreis, eine Krabbelgruppe und, zeitweilig, eine Jugendgruppe haben in dem Gemeindezentrum ihren Platz. „Als die Osterferien noch drei Wochen dauerten, haben wir immer eine Woche lang eine Kinderfreizeit in dem Haus veranstaltet. Platz genug ist da, und im Keller gibt es sogar zwei Duschen“, berichtet Pfarrer Schneider-Leßmann. Im Dezember ist wieder eine Übernachtungsaktion geplant. Und die gute Ausstattung machte es auch möglich, dass während des Bürgerkrieges im früheren Jugoslawien in den Neunziger Jahren eine muslimische Familie aus Bosnien mit vier Kindern drei Jahre lang im Keller des Gemeindezentrums lebte. „Die sind inzwischen wieder in ihre Heimat zurückgekehrt, aber wir haben immer noch Kontakt“, freut sich Schneider-Leßmann.

Pfarrer wird zum Küchenchef
Genuss wird auch groß geschrieben bei den regelmäßigen „Barockabenden“, zu denen die Gemeinde einmal im Jahr einlädt. Ein Kammerorchester sorgt für Musik, der ganze Saal wird festlich eingedeckt, und für 90 bis 100 Besucherinnen und Besucher gibt es ein leckeres Drei-Gänge-Menü. Dafür tauscht der Pfarrer dann Talar gegen Kochschürze und zaubert am Herd. „Suppe aus gerösteten Tomaten mit Pestohaube, Schweinemdaillons mit Kaffee-Pfeffer-Kruste, Fischvariationen in Senfsauce, Walnuss-Kartoffelpüree mit Möhren und Pastinaken, Mousse au chocolat“, schwärmt Schneider-Leßmann vom jüngsten Menüplan. Rückblickend dankt er dem Presbyterium, „das uns bei der Inneneinrichtung viel Spielraum gelassen hat“. Rund 120.000 Mark wurden damals ausgegeben. Dafür wurde eine leichte Bestuhlung in frischen Farben angeschafft, die flexibel für die verschiedenen Veranstaltungen umzugruppieren ist. Auch das Geschirr hat einiges gekostet, „dafür wirkt es ansprechend und hat nicht diesen Kantinencharakter“, so Schneider-Leßmann. Außergewöhnlich ist auch die große Orgel, die unter der Decke hängt. „Wie ein Porschemotor in einem Volkswagen“, verdeutlicht der Pfarrer die akustischen Dimensionen des Instruments.

Protestanten sind im Ort fest verankert
Es habe viel „Zähigkeit“ gekostet, aber mittlerweile, so Schneider-Leßmann, seien die evangelischen Christinnen und Christen im Ort fest verwurzelt und anerkannt. Ein Symbol dafür ist der ökumenische Gottesdienst, den die Friesheimer seit fünf Jahren gemeinsam mit der Karnevalsgesellschaft Rot-Weiß Friesheim feiern. „Kein karnevalistischer Gottesdienst“, betont der Pfarrer, aber es sei jedes Mal eine besondere Veranstaltung, wenn das Musikkorps der KG Kirchenlieder intoniere. Und nach dem Gottesdienst treffe man sich noch zum gemeinsamen Kölsch. Genuss eben.

Förderverein bringt Großteil der Kosten auf
Jubiläen sind aber nicht nur die Zeit des Rückblicks, sondern auch des Ausblicks. Und da ist der Pfarrer durchaus kritisch, aber keineswegs pessimistisch. „Die Menschen hier sind mit dem Gemeindezentrum älter geworden“, stellt er fest. In das damalige Neubaugebiet sind viele Familien mit Kindern eingezogen. Die Kinder sind groß geworden und weggezogen oder haben sich an anderen Stellen im Ort niedergelassen. „Die gehen dann lieber nach Lechenich in die Kirche, weil es ihnen in Friesheim zu klein erscheint“, sagt Schneider-Leßmann. Eine Schließung des Gemeindezentrums an der Bolzengasse stehe aber derzeit nicht zur Diskussion. Dazu trage auch der Förderverein bei, der sich vor zweieinhalb Jahren gegründet habe und der mittlerweile Zweidrittel der Unterhaltskosten durch Spenden aufbringe. Gute Aussichten also für das evangelische Zentrum am Rande der Stadt.

Text: Jörg Fleischer
Foto(s): Fleischer