You are currently viewing 23. Frauentag im Berufsförderungswerk Michaelshoven

23. Frauentag im Berufsförderungswerk Michaelshoven

Unter diesem Motto lud der Evangelische Kirchenkreis Köln-Süd zum 23. Frauentag ins Berufsförderungswerk Michaelshoven ein. „Jede ist mutig – auch du?“, „Vom Mut, den eigenen Weg zu gehen“ und „Mut zur Lücke“, so lauteten einige Überschriften der angebotenen acht Workshops. Die Dozentinnen betrachteten das Thema unter vielfältigen Gesichtspunkten. Pfarrerin Andrea Döhrer von der Friedenskirchengemeinde in Erftstadt-Liblar bot mit der jüdischen Religionslehrerin und Tanzpädagogin Shuli Grohmann einen Workshop zu Esther an.

Die Frauen, die aus dem Süden Kölns und dem Rhein-Erft-Kreis kamen, hatten eines gemeinsam: Sie alle waren neugierig auf Esther, eine biblische Frauen-Persönlichkeit aus dem Alten Testament – Christinnen meist nicht so bekannt wie Ruth oder Judith. Doch das Wenige, das die Teilnehmerinnen im Vorfeld über Esther wussten, faszinierte sie bereits.

Mut heißt: „Dazu stehen“
Der Arbeitskreis biblischer Tanz aus Bonn stimmte die Teilnehmerinnen vor Beginn der Workshops mit einer künstlerischen Darstellung der Geschichte Esthers ein. Danach fanden sich 22 Teilnehmerinnen im Workshop „Mut tut gut“ von Pfarrerin Andrea Döhrer und Shuli Grohmann wieder. „Wenn ich meinen Glauben leben will, dann muss ich zu dem stehen, was mir wichtig ist“, war der Kerngedanke der Pfarrerin. Als sie in der Bibel nach einer Geschichte suchte, fiel ihr als gutes Beispiel Esther ein. Aber war Esther wahrhaft mutig? Riskierte sie wirklich ihr Leben, als sie zum König Ahashveros ging, um sich als Jüdin zu offenbaren und ihr Volk zu retten? Auf solche Widersprüchlichkeiten im Buch Esther legten die Seminarteilnehmerinnen den Fokus. Und was heißt eigentlich „Mut“? Die Antwort der Pfarrerin: „Mut ist, wenn man für sich und andere eine Entscheidung für eine Veränderung trifft und sie umsetzt, obwohl man nicht weiß, wie das ausgeht“.

Esthers Geschichte
Die biblische Esther-Erzählung spielt im 5. Jahrhundert vor Christus in Susa am persischen Königshof im Südwesten des heutigen Iran. Esther und ihr Cousin Mordechai leben dort im babylonischen Exil. Sie sind Juden, die ihre Herkunft verschweigen; Esther hört auf den persischen Namen Hadassa. Als Ahashveros (griechisch Xerxes) seine ungehorsame Gattin Washti verstößt und in seinem gesamten Großreich eine neue Ehefrau sucht, wird Esther von Mordechai ermutigt, sich zu bewerben.

Gegen Tabus
„Es ist wahre Liebe auf beiden Seiten“, verdeutlicht Shuli Grohmann in ihrem Theaterstück, aus dem sie den Workshop-Teilnehmerinnen Auszüge vorliest. Esther habe sich mit der Heirat eines Nicht-Juden über ein Tabu der Orthodoxen hinweggesetzt. „Das war mutiger, als unaufgefordert vor den König zu treten, was sie nach den damaligen Gesetzen das Leben hätte kosten können“, meinte die aus Jerusalem stammende jüdische Religionslehrerin.
Als sich Mordechai, der Hüter des Königstores, auf die Gebote seiner Religion besinnt und sich weigert, dem machthungrigen Minister Haman wie einem Gott zu huldigen, droht Haman der jüdischen Minderheit mit dem Tod. Über den Zeitpunkt lässt er das Los (hebräisch „pur“) entscheiden. Unter Lebensgefahr legt Esther beim König Fürbitte ein. Sie gewinnt, rettet ihr Volk und wird zur Stifterin des Purim-Festes.

Das Purim-Fest – der jüdische Karneval
Im Seminarraum lag ein Tuch mit Süßigkeiten auf dem Boden. „Sind das die Kamelle vom Rosenmontagszug?“, scherzten Workshop-Teilnehmerinnen. Sie lagen durchaus richtig. Das Fest, das an die Rettung des jüdischen Volkes aus Gefahr in der persischen Diaspora erinnert, wird bis heute in den Synagogengemeinden lustig und laut mit Maskeraden gefeiert. Wann immer der Name des biblischen Bösewichts Haman bei der Feier fällt, machen die Gläubigen Lärm mit hölzernen Ratschen. Und wie Karnevalisten Kamelle werfen, ist es beim Purimfest Brauch, die Armen reichlich zu beschenken.

Gemeinsame Werte
Jüdische Feste fallen in manchen Jahren mit christlichen Feiertagen zusammen. Gemeinsame Wurzeln sieht Pfarrerin Döhrer auch im Pessach-Fest, das an den Auszug des Volkes Israel aus Ägypten erinnert, und das oft mit Ostern zusammenfällt. Am Vorabend wird Seder gefeiert, das letzte Mahl vor Pessach. „Jesus änderte die Ordnung, indem er am Seder das erste Abendmahl hielt“, erklärte sie. Die Workshop-Teilnehmerinnen lernten zudem volkstümliche Purim-Lieder und Tänze. Und weil Glauben auch mit den Sinnen erfahrbar ist, verteilte Andrea Döhrer zum Schluss Rezepte für Haman-Taschen – ein mit Mohn oder Nüssen gefülltes Gebäck.

Text: Ulrike Weinert
Foto(s): Ulrike Weinert