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2035 wird es in Köln doppelt so viele 80-Jährige wie jetzt geben: Ambulante Pflegedienste, darunter die Diakonie gGmbH, stellen sich mit ehrenamtlichen Entlastungsdiensten darauf ein

Die Zahl stimmt nachdenklich. 9.000 pflegebedürftige Menschen leben in Köln, die bisher ausschließlich von privaten Pflegepersonen betreut werden. In der Regel sind das Angehörige. Die Pflege und Betreuung eines Angehörigen zu Hause stellt hohe psychische und physische Anforderungen an die Angehörigen. Oft werden sie aus ihrem bisherigen Leben gerissen und mit Aufgaben konfrontiert, die sie nicht selten überfordern. Viele erleben den Verlust ihrer sozialen Kontakte, weil sie wegen der Betreuung keine Zeit mehr haben, ihren Freundschaften zu pflegen. Vereinsamung auch der Pflegenden droht. Für die Betreuerinnen und Betreuer von Demenz-Kranken sind in Köln neun Entlastungsdienste tätig, die bei der Pflege unterstützen. Die Pflegenden von alten Menschen, die bei klarem Verstand aber körperlich pflegebedürftig sind, waren bislang auf sich allein gestellt.



Ehrenamtliche Entlastungsdienste auch für körperlich Pflegebedürftige
Das soll sich jetzt ändern. „Der Rat hat beschlossen, ehrenamtlich Entlastungsdienste auch für somatisch, also körperlich, Pflegebedürftige zu unterstützen“, sagt Dieter Gorklo, Sachgebietsleiter im städtischen Amt für Soziales und Senioren. Unterstützung heißt in diesem Fall, dass die Stadt 120.000 Euro locker gemacht hat, die auf drei Trägerinstitutionen verteilt werden. Die Diakonie gGmbH Köln und Region, das Deutsche Rote Kreuz, Kreisverband Köln, und die Sozial-Betriebe-Köln gGmbH. Diakonie-Mitarbeiterin Katharina Regenbrecht hat festgestellt, „dass dieser Bereich boomt. Wir bekommen immer mehr Anrufe von Menschen mit körperlichen Behinderungen. Jetzt ist es an uns, ehrenamtliche Helferinnen und Helfer zu gewinnen, die bereit sind, gegen eine Aufwandsentschädigung von 7,50 Euro pro Einsatz diesen Menschen zu helfen.“ Sie erklärt, worum es nicht geht: „Die Helferinnen und Helfer werden weder pflegerische noch hauswirtschaftliche Tätigkeiten übernehmen.“ Für die medizinische Pflege seien ausschließlich die ambulanten, professionellen Pflegedienste zuständig. Wenn jemand sage: „Ich kann mit einem alten Menschen nicht auf die Toilette gehen“, werde darauf bei den Einsätzen Rücksicht genommen. Darüber hinaus gebe es eine große Bandbreite von möglichen Tätigkeiten. „Das reicht von einem gemeinsamen Besuch der Philharmonie über einen Spaziergang, bei dem man den Rollstuhl schiebt, bis zu Gespräch und Hand halten.“

Ehrenamtlich Mitarbeitenden werden akribisch vorbereitet
Bärbel von der Linde vom Deutschen Roten Kreuz erklärt den finanziellen Aspekt: „Ein Einsatz soll zwischen zwei und vier Stunden dauern. 7,50 Euro pro Einsatz sind so gewählt, dass der Ehrenamtlich ,kein Geld mitbringen‘ muss, sondern die KVB-Karte für die Fahrt zum Betreuten und während eines Spaziergangs auch mal eine Tasse Kaffee trinken kann.“ Auf einen weiteren Aspekt verweist Wolfgang Hunsdorfer vom Deutschen Roten Kreuz: „Oft sind die medizinischen Pflegedienste die einzigen sozialen Kontakte von alten Menschen. Da schaffen unsere Ehrenamtlichen eine ganz neue Lebensqualität für die alten Menschen.“ Diese ehrenamtlich Mitarbeitenden werden akribisch auf ihre neue Aufgabe vorbereitet. Alle drei Träger haben dank der städtischen Unterstützung Koordinatorinnen und Koordinatoren eingestellt, die die Ehrenamtlichen schulen, anleiten und begleiten. Die Schulung umfasst 15 bis 20 Stunden Unterricht. Theoretisches Wissen und praktische Kenntnisse in Bereichen wie Kommunikation, Methoden der Betreuung und Umgang mit Hilfsmitteln stehen im Mittelpunkt. Danach folgen regelmäßige Fortbildungen und monatliche Reflektionstreffen, bei denen sich die Ehrenamtlichen austauschen können.

Frühzeitig Angebote schaffen, sinnvoll regional unterteilt
„Die drei Träger werden die Stadtteile unter sich aufteilen, so dass niemand, der sich engagieren möchte, weit fahren muss“, erklärt Katharina Regenbrecht ein Prinzip des neuen Angebotes für alte Menschen und deren Angehörige. Regenbrecht weiß, „dass viele Schwierigkeiten haben, Hilfen anzunehmen, weil sie fürchten, ihre Autonomie zu verlieren.“ Dabei soll doch das Gegenteil der Fall sein: „Wir wollen eines erreichen: Ambulant geht vor stationär“, sagt Gorklo. Schließlich hat die Stadtverwaltung ausgerechnet, dass sich die Zahl der 80-Jährigen in Köln bis 2035 auf über 80.000 verdoppelt. Bei einer gleichbleibenden Einwohnerzahl von einer Million. Man müsse sich frühzeitig auf diese Situation einstellen und ambulante Angebote schaffen, die die Unterbringung in Pflegeheimen zumindest aufschieben könnten.

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Rahmann