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200 Jahre evangelische Antoniterkirche – drei Gottesdienste und eine Ausstellung

Die Protestanten wussten, bei wem sie sich zu bedanken hatten. Und das taten sie mit großem Überschwang. „Er ist der Große, der die Zügel des ganzen Staats so weise lenkt. Es ist Napoleon, der Kaiser, der diesen Tempel uns geschenkt“, dichtete Friedrich Wilsing, erster reformierter Pfarrer an der Antoniterkirche, vor 200 Jahren.

Nur die Menschen machen Geschichte lebendig
Im Mai 1805 weihten die Kölner Protestanten das Gotteshaus an der Schildergasse zur ersten evangelischen Kirche in der Stadt. Mit drei Gottesdiensten erinnerten die Evangelischen an die 200-jährige Geschichte der Antoniterkirche in ihrem Besitz. Pfarrer Dr. Bertold Höcker dankte den Menschen, die das Gotteshaus besuchen, denn nur sie machten „ja die Steine lebendig. Jeder Besuch in diesem Raum ist auch ein Stück Verkündigung“. Das Manuskript der Predigt von Pfarrer Höcker hier.

Von der „Anbethungs- und Segnungsrede“ zum Abendmahlsgottesdienst
Auf dem Geusenfriedhof feierte Rolf Domning, Superintendent des Kirchenkreises Köln-Mitte, einen Abendmahlsgottesdienst am Grab von Christian Gottlieb Bruch, ebenfalls Pfarrer der Kölner Gemeinde während der Kirchweihe. „Eigentlich wollten wir einen Gottesdienst mit der Liturgie des Weihegottesdienstes vor 200 Jahren halten. Das war aber aufgrund der damaligen großen Ehrerbietung gegenüber den Mächtigen in der heutigen Zeit nicht mehr darstellbar.“ Kein Wunder, berichtete doch die Kölnische Zeitung am 21. Mai 1805 über diesen Gottesdienst, und bei dem „hielt der lutherische Prediger Bruch eine französische Anbethungs- und Segnungsrede“.

Pflegt diesen Ort, schützt diesen Raum
Markige Worte fand Manfred Kock, Alt-Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, während seiner Predigt im Abendgottesdienst. „Eigentlich ist die Sorge für diese Kirche erstaunlich, wenn man bedenkt, wie viele Menschen das Wort der Verkündigung gar nicht zu brauchen meinen.“ Es gelte geradezu als Beweis protestantischer Liberalität, wenn Menschen Kirchgänge als überflüssige Frömmelei abtäten, Gottesdienste allenfalls den Kindern und Alten zuordneten. Kock rief die Gläubigen dazu auf, die Kirchen unbedingt zu erhalten: „Pflegt diesen Ort, schützt diesen Raum. Es ist nicht nur Sammelpunkt für eine kleine isolierte Gruppe. Er ist Zeichen für die Stadt.“ Mit der Kirche vermittele sich die „Botschaft des Mannes aus Nazareth, des Gekreuzigten und Auferstandenen. Ein Land, das diesen nicht mehr ertragen will, hat keine Zukunft“.

Protestanten als „Liebhaber“ einer „maroden Domäne“
Das Gottesdienstverbot für die Protestanten in Köln war zwar schon 1802 durch die Franzosen aufgehoben worden, aber in den ersten drei Jahren danach betete man noch im Saal eines Brauhauses an der Schildergasse, weil die Antoniterkirche – die erste Kirche der Kölner Innenstadt, in der der protestantische Ritus gepflegt werden sollte – erst umgebaut werden musste. Sie war vor der Übernahme durch die Protestanten im Besitz des Antoniterordens. Ihr Bau wurde 1384 abgeschlossen.
Die Antoniter waren ein reiner Helferorden, der sich um Kranke kümmerte, insbesondere um solche, die an Mutterkornvergiftung litten. Diese im Mittelalter häufige Vergiftung wurde durch Pilzbefall an Roggengetreide hervorgerufen, oft einziges Nahrungsmittel der armen Leute in jener Zeit. Mit der Ausmerzung der Krankheit verloren die Antoniter ihre Aufgabe und lösten den Orden schließlich auf. Zurück ließen sie neben der Antoniterkirche auch Stallungen, Gärten und sogar eine Brauerei. Den katholischen Stadtoberen war es nur recht, dass die Protestanten, denen Napoleon freie Hand bei der Auswahl ihrer Kirche gewährt hatte, die Antoniterkirche bevorzugten. Die Kirche mitsamt der angrenzenden Gebäude waren nämlich so marode, dass man ohnehin „für die Domäne keinen Liebhaber finden könne“, wie es in einem zeitgenössischen Gutachten heißt.

Ausstellung noch bis 26. Juni
Im übrigen verdanken die Protestanten ihre Kirche nicht allein Napoleon. Kaiser Joseph II. hatte ihnen schon 1788 das Privileg eingeräumt, ein „eigenes Beth-, Schul- und Predigerhaus“ zu bauen. Das hatten die Kölner Katholiken allerdings bis zu Napoleons Machtwort zu verhindern gewusst.  Dieses und manches mehr findet man in einer Ausstellung, die noch bis 26. Juni in der Antoniterkirche, Schildergasse 57, zu sehen ist.  Öfnnungszeiten: montags bis freitags 11 bis 19.30 Uhr, samstags von 11 bis 17 Uhr, sonntags von 9.30 bis 19 Uhr.

Tipps zur protestantischen Geschichte
In unserem Dokumentanarchiv finden sich auch zahlreiche Texte zur Geschichte der Protestanten in Köln. etwa:

„Neue Impulse in der Kölner Wirtschaft durch protestantische Zuwanderer“ – Vortrag von Dr. Ulrich S. Soénius, September 2002 beim Jahresempfang des Evangelischen Stadtkirchenverbandes Köln

200 Jahre freie evangelische Wortverkündigung – Ein kleiner Streifzug durch die protestantische Geschichte Kölns von Detlev Prößdorf

Bürger erster und zweiter Klasse – Katholiken und Protestanten in Köln

Die „heimlichen Gemeinden“ – Protestanten in Köln: Die heimlichen Gemeinden, 1571 bis 1802

Die Zünfte und die wirtschaftliche Situation der Protestanten in Köln bis 1802

Evangelische Märtyrer – Aus den Anfängen protestantischen Lebens in Köln und Umgebung

Heimlich und verschwiegen – Die Geschichte der Protestanten im „hillije“ Köln und drumherum

Schiffer und Geusen, die ältesten evangelischen Gemeinden vor den Toren Kölns

Text: Rahmann
Foto(s): ran