„Wir müssen was tun.“ Darüber waren sich Renate Röver und Edith Kaufmann einig: „Und morgen fangen wir an.“ 1991 war das, im Januar, auf dem Neujahrsempfang der Katholischen Pfarrgemeinde St. Kosmas und Damian in Pulheim. Zu diesem Zeitpunkt stand der militärische Eingríff von alliierten Staaten unter Führung der USA im vom Irak besetzten Kuwait kurz bevor. Angesichts einer drohenden Ausweitung des Ersten Golfkrieges (2. August 1990 bis 5. März 1991) beließen es Röver, 1982 bis 2004 Pfarrerin der Evangelischen Kirchengemeinde Pulheim, und Kaufmann, damals Vorsitzende des Pfarrgemeinderates der Katholischen Gemeinde, nicht bei ihrer gegenseitigen Absichtsbekundung, ein ökumenisches Friedensgebet zu organisieren. „Tatsächlich haben wir einen Tag später angefangen“, erinnert Pfarrerin i.R. Röver. Ohne lange Vorbereitung, ohne Beschlüsse von Gemeindegremien abzuwarten. Zum ersten Treffen versammelten sich etliche Interessierte in der evangelischen Gnadenkirche in Pulheim. Alle weiteren fanden ebenfalls dort statt. Bis heute. Im Januar 2011 besteht das „Ökumenische Friedensgebet in Pulheim“ also 20 Jahre.
„Parteinahme für den Frieden in der Welt geboten“
Zunächst, während der Kriegshandlungen 1991 im Nahen Osten, hielt man das Friedensgebet täglich ab, ausgenommen sonntags. „Als besonders eindringlich“ hat Röver diese ersten Wochen empfunden. „Die hohe Beteiligung der Gemeinde belegte die Bedeutung des Themas für die Menschen.“ Für Röver selbst ist die Friedensfrage „immer eine sehr wichtige“ gewesen. Als sie 1982 ihrer Tätigkeit in Pulheim aufnahm, lief gerade die Nachrüstungs-Debatte. Auch innerhalb der Kirche erörterte man, wie man sich positionieren müsse und engagieren könne. Röver tat das unter anderem als Mitglied im Arbeitskreis Frieden des Kirchenkreises Köln-Nord. „Ich habe immer empfunden: Vom Evangelium her ist die Parteinahme für den Frieden in der Welt geboten.“
„Unser Friedensgebet ist heute eine Selbstverständlichkeit“
Mit dem Waffenstillstand änderte sich zwar der Rhythmus des Pulheimer Friedensgebetes. Die Abstände wurden größer. Eingestellt wurde die Veranstaltung aber nicht. „Es gab eine große Ernüchterung damals, doch wir konnten und wollten nicht aufhören“, so Röver. Nicht angesichts der Konflikte im Nahen Osten. Erst recht nicht aufgrund der zahlreichen Kriege und Konflikte in anderen Teilen der Welt. „Der Frieden und das Gebet für ihn kennt keine Pause“, zitiert Röver sinngemäß einen Presbyter. Damit hatte dieser sich „überzeugend“ gegen eine Aussetzung der Treffen in den großen Schulferien gewandt. Seitdem findet das Pulheimer Friedensgebet, mit wenigen Ausnahmen in „besonders gewürdigten Krisenzeiten“ (Anschlag auf das World Trade Center in New York 2001, Zweiter Golfkrieg 2003), regelmäßig am ersten Mittwoch im Monat statt: jeweils um 19 Uhr in der Gnadenkirche, Gustav-Heinemann-Straße 28 c. Darauf hingewiesen wird in den Gemeindebriefen und selbst auf der Internetseite der Stadt Pulheim. Eine intensivere Werbung um Teilnahme erfolgt jedoch nicht. „Denn der Termin ist allgemein bekannt. Unser Friedensgebet ist heute eine Selbstverständlichkeit“, stellt Presbyterin Helgard Eckardt fest.
Regelmäßig 20 bis 30 Teilnehmende
Eckardt ist seit über 15 Jahren Mitglied des Ökumenischen Arbeitskreises in Pulheim. Schon lange organisiert sie auf evangelischer Seite das Friedensgebet, und wirkt häufig selbst mit. Auf katholischer Seite ist es Edith Kaufmann. Beide Frauen kümmern sich im monatlichen Wechsel um die Durchführung. Sie sprechen Gruppen, Kreise und auch Einzelpersonen in ihrer Gemeinden an, die den jeweiligen Gebetsabend verantwortlich leiten. Dazu gehören unter anderem Frauen- und Lektorenkreise, Konfirmandengruppen, Pfadfinder, die „Blaue-Kreuz“-Gruppe. Einmal jährlich, im März, übernimmt die Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde Pulheim (Kirche im Walzwerk) die Leitung des Gebetes. Unter den von Eckardt Kontaktierten befindet sich auch die evangelische Grundschule in Pulheim. „In deren 4. Klassen wird das Friedensgebet im Rahmen eines Projektes vorbereitet und durchgeführt“, erläutert Eckardt. Sie sieht darin „eine gute Möglichkeit, das Thema an junge Menschen heran zu tragen“. Und wenn Schülerinnen und Schüler den Abend verantwortlich gestalteten, sei erfahrungsgemäß die Gnadenkirche mit deren Eltern, Mitschülern und Freunden stets gut gefüllt. Ansonsten fänden sich jeweils 20 bis 30 Menschen ein, sagt Sabine Petzke, Pfarrerin in Pulheim. „Viele Menschen finden gut, dass es das gibt, aber sind nicht zwingend regelmäßige Gäste.“
Kleiner Gottesdienst von 30 Minuten Länge
Das Pulheimer Friedensgebet, erläutert Petzke, werde als kleiner Gottesdienst von dreißig Minuten Länge abgehalten – mal mehr, mal weniger streng liturgisch. „Es werden Lieder gesungen, Gebete gesprochen, hin und wieder Bilder gezeigt, seltener etwas dargestellt.“ Die für den jeweiligen Abend zuständige Gruppe überlege sich vorher ein bestimmtes Thema. „Das können aktuelle Meldungen sein, Nachrichten und Zeitungsberichte, die verarbeitet werden. In der Friedensdekade waren es beispielsweise Materialen zu der Kampagne `Entrüstet euch´.“
Friedensgebet von Laien initiiert und getragen
Bemerkenswert und wesentlich für das Pulheimer Friedensgebet ist folgender Aspekt: Es wurde von Laien mit initiiert und es wird von Laien getragen. „Immer noch ist es den Menschen in unseren Kirchengemeinden ein ausdrückliches Anliegen. Als wir mutig anfingen, haben Hauptamtliche und Laien das gemeinsam gemacht“, erinnert Röver. Doch die „arbeitstechnische Belastung“ für die Pfarrerinnen und Pfarrer habe rasch dazu geführt, dass die Aufgaben fast komplett auf Laien übertragen worden seien, so Eckardt. „Es ist heute eher die Ausnahme, dass wir Pfarrerinnen und Pfarrer konkret in Erscheinung treten“, sagt Petzke. „Aber selbstverständlich unterstützen wir weiterhin das Projekt.“ Und springen, wie Röver, in die Bresche, wenn etwa in den Sommerferien „ganz großer Mangel“ an Durchführenden herrscht. „Ich bin noch heute regelmäßig dabei“, sagt sie. „Einfach deshalb, weil es mir wichtig ist.“
Gutes gegenseitiges Verständnis an der Basis
Innerhalb der Ökumene in Pulheim stelle das Friedensgebet, wie beispielsweise die Weltgebetswoche, einen festen Bestandteil dar, erklärt Eckardt. Sie selbst organisiert und besucht es nicht nur, sondern bestreitet es auch: „Beispielsweise wenn der Lektoren-Kreis unserer Gemeinde die Gestaltung übernimmt oder der Ökumenische Arbeitskreis.“ Der Arbeitskreis, in dem die christlichen Kirchen in Pulheim kooperierten, verdeutliche wunderbar den ökumenischen Charakter des Gebetes. Zugleich belege es das gute, gegenseitige Verständnis an der Basis.
Unverändert ist das Friedensgebet ein großes Bedürfnis
„Wir konnten anfangs nicht damit rechnen, dass das Friedensgebet so lange bestehen bleibt“, ist Röver für die Entwicklung dankbar. Eckardt empfindet das Angebot als „eine ganz tolle Sache. Das Thema ist nach wie vor so aktuell wie damals. Unsere evangelische Gemeinde hat es angenommen.“ Unverändert sei das Gebet für den Frieden ebenso den Menschen in den beiden anderen beteiligten christlichen Gemeinden ein Bedürfnis. „Es gäbe gar keinen Grund, diese regelmäßige Andacht fallen zu lassen. Nicht mangels Besuchenden. Und aus inhaltlichen Gründen sowieso nicht.“ Auch Petzke sieht „das Bewusstsein für das Thema unvermindert vorhanden. Wir dürfen nicht nachlassen und müssen den Friedensgedanken im Gebet weiter tragen.“
Foto(s): Helgard Eckardt