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140 Frauen beim Frauentag im Kirchenkreis Köln-Süd

140 Frauen im Auditorium, sechs freie Stühle auf der Bühne. Frei? Nicht ganz. Sie waren versehen mit sechs weiteren Gegenständen, wie Hut, Tuch oder Schuhe. Die Requisiten symbolisierten sechs abwesende Frauen. Sechs mutige Kölnerinnen, deren Wirken die Schauspielerin Vrenelie Busmann, die Musikerin Katharina Schneider und die Pfarrerin Dorothee Schaper in einer musikalischen Lesung würdigten.

Mutiges Einmischen
Dabei rezitierten sie Passagen aus Texten, aus Briefen, Gedichten, Büchern und Interviews der Widerstandskämpferin Freya von Moltke, der Schriftstellerin Hilde Domin und der feministischen Theologin Dorothee Sölle. Berücksichtigt wurden ebenso die Theologin Ina Gschlössl, Vorkämpferin für die Frauenordination, sowie die Kunsthistorikerin und Publizistin Louise Straus-Ernst. Sie war die Tochter eines jüdischen Hutfabrikanten und erste Frau des Künstlers Max Ernst. 1933 emigrierte sie nach Paris, wurde schließlich 1944 aus einem französischen Internierungslager nach Auschwitz deportiert. Als sechste und einzig noch lebende in dieser (unschwer zu ergänzenden) Reihe von sechs starken Kölnerinnern stellten Busmann, Schneider und Schaper die 30-jährige Sineb El Masrar vor. Die gebürtige Hannoveranerin ist Autorin, Journalistin und Herausgeberin eines multikulturellen Frauenmagazins. Was sie alle verbindet? „Ihr mutiges wie ermutigendes Einmischen in Situationen, wo ein gerechter Friede auf dem Spiel stand oder steht“, sagte die Frechener Pfarrerin Almuth Koch-Torjuul. „Ihre klare Wahrnehmung der jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnisse und politischen Situation, ihre große Bewusstheit, Acht- und Wachsamkeit.“

Politischer Frieden ersehnt
Gerechter Frieden, innerer Frieden, politischer Frieden, biblischer Frieden… – das Thema Frieden ist ein aspektreiches. Und ein stets junges. „Die Frage nach dem Frieden ist hoch aktuell“, waren sich auch die Mitglieder des Vorbereitungskreises des Frauentages im Evangelischen Kirchenkreis Köln-Süd einig. Daher habe das Motto für die 19. Auflage der Veranstaltung früh festgestanden, so Koch-Torjuul. Sie ist Synodalbeauftragte für Frauenarbeit im Kirchenkreis Köln-Süd und leitet das Vorbereitungsteam des Frauentages. Erneut gastierte die „Gemeinde für einen Tag“ im Berufsförderungswerk der Diakonie Michaelshoven in Köln-Rodenkirchen. Spürte dort dem gewählten Thema unter verschiedenen Gesichtspunkten nach. „Nach wie vor wird der politische Frieden, der für die einen selbstverständlich ist, von anderen bitter ersehnt. Dann ist Friede eine, wenn nicht die zentrale Hoffnung der Bibel: In Gestalt von prophetischen Verheißungen, die uns ermutigen und trösten, aber auch in Gestalt von prophetischen Weisungen, die uns herausfordern“, erläuterte Koch-Torjuul. Nicht zuletzt sei es auch ein Mangel an innerem Frieden, den Menschen heutzutage am meisten beklagten.

Miriam-Sonntag in Köln
Ein kurzer Abschnitt der Veranstaltung war der Information über Verbandseinrichtungen und deren Angebote gewidmet. Darin ging Silvia Hecker auf die Evangelische Familienbildungsstätte (FBS) Köln ein. Claudia Lautner stellte Themen und Ziele der Gemeindediakonie des Diakonischen Werkes vor. Katja Kriener, mit einer halben Stelle Pfarrerin an der Melanchthon-Akademie, sprach insbesondere über die Aufgaben in ihrer anderen halben Stelle – als Frauenreferentin des Evangelischen Kirchenverbandes. Diese lauten, zusammen gefasst, „Begleitung der Frauenarbeit der Gemeinden und Kirchenkreise sowie Förderung von Frauen im Raum der Evangelischen Kirche“. Kriener blickte auch auf den Miriam-Sonntag am 9. September 2012. Die Materialsammlung für die Gemeinden im Gebiet der Rheinischen Landeskirche werde diesmal von den Christinnen im Evangelischen Kirchenverband Köln und Region vorbereitet. Gewidmet werde sie der Pfarrerin i. R. und Wissenschaftlerin Ilse Härter. Die Wegbereiterin der Frauenordination, die Kämpferin um den „gleichberechtigten Zugang von Frauen ins Pfarramt“, vollendete im Januar ihr 100. Lebensjahr.

Faire, friedliche Konfliktlösung
Nach dem Mittagsmahl gingen die Teilnehmerinnen zur Arbeit in einzelnen Gruppen über. In insgesamt acht Workshops beschäftigten sie sich unter Leitung von Pfarrerin Andrea Döhrer mit Friedensbildern im Alten Testament oder spürten mit Magdalene Otto anhand von Erzählungen aus dem Leben Jesu dem „Frieden mit mir selbst, mit Gott und den Menschen“ nach. Derweil vermittelte Silvia Hecker, Diplom-Sozialarbeiterin und pädagogische Mitarbeiterin der FBS, Strategien zur fairen, friedlichen Konfliktlösung. Die Sozialtherapeutin Carmen Schröder-Meißner lud zu einer Entdeckungsreise zu eigenen Wünschen und Möglichkeiten. Mit der Tanzpädagogin Christina Wohlfahrt schritten etliche Frauen tanzend „zum Frieden“. In der „Werkstatt“ von Kirchenmusikerin Barbara Bannasch konnten Interessierte nicht allein bestehende Friedenslieder kennen lernen, sondern auch neue verfassen. Währenddessen förderte Künstlerin Suyin Scheid-Hennig bei ihren Teilnehmerinnen den Ausdruck in Farbe und Form. Und zwar in Auseinandersetzung mit dem künstlerischen Schaffen und ökologischen Engagement des 2000 verstorbenen Österreichers Friedensreich Hundertwasser, das insbesondere abzielte auf ein „natur- und menschengerechteres“ Bauen wie Natur-/Umweltschutz. Schließlich behandelte der Workshop „Blick über den Tellerrand – Frauen in Indonesien“ ein (auch als Friedensbeitrag zu verstehendes) Engagement des Kirchenkreises Köln-Süd weit über seine eigentliche Grenze hinaus: Er pflegt eine Partnerschaft mit dem Kirchenkreis Silindung und dem kirchlichen Krankenhaus Balige auf Nordsumatra in Indonesien. Partnerschaftsausschuss-Mitglied Ina Frank erläuterte etwa, wie in diesem Rahmen in Silindung Leiterinnen von Frauengruppen geschult und welche Kirchengemeinde-Projekte gefördert werden.

Seelenfrieden oder Weltfrieden
„Heute haben wir von vielen Seiten auf das Thema Frieden geschaut, auf ein zentrales Thema unseres Glaubens“, formulierte Koch-Torjuul. Dabei habe sie den Eindruck gewonnen, dass die Teilnehmerinnen, auch die politisch weniger aktiven, es als selbstverständlich empfinden, „dass politische und persönliche Fragen nicht trennbar sind“. Deren Ineinandergreifen kam auch in der abschließenden Vesper zur Sprache. Im Verkündigungsteil ging Pfarrerin Katja Kriener zunächst ein auf die drei Friedensnobelpreisträgerinnen 2011. Ellen Johnson-Sirlaef, Präsidentin von Liberia, nannte sie beharrlich. Leymah Gbowee, liberianische Bürgerrechtlerin und Politikerin, bezeichnete sie als mutig, und die jemenitische Journalistin und Menschenrechtsaktivistin Tawakkul Karman, die zu den bekanntesten Persönlichkeiten der Protestbewegung in ihrem Land zählt, als Rebellin. Laut Kriener sind sie beispielhafte, entschlossene Vorkämpferinnen für Frieden, Demokratie und Frauenrechte. Themen, denen sich Christinnen und Christen selbstverständlich annehmen müssten. „Von den biblischen Weisungen lernen wir, dass nach Gottes Willen Gerechtigkeit konkrete Gestalt im Leben der Gemeinschaft annehmen will und niemals auf den privaten Bereich bleiben kann. Wider alle christliche Tendenz zur Spiritualisierung und ´Verinnerlichung´ stellt sich in der Bibel die Alternative ´Seelenfrieden´ oder ´Weltfrieden´ nicht. Es geht hier immer ums Ganze. Das erfordert dann Mut, Beharrlichkeit und Rebellion gegen ungerechte Verhältnisse.“

Die Kollekte der Vesper ist bestimmt für medica mondiale e.V. mit Sitz in Köln. Medica mondiale engagiert sich weltweit für die Rechte von Frauen und Mädchen in Kriegs- und Krisengebieten.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich