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100 Jahre Kirchengemeinde Porz: Jubiläumsjahr neigt sich dem Ende zu, Präses Schneider war zu Gast in der Lukaskirche

Die Evangelische Kirchengemeinde Porz feiert ihr 100-jähriges Bestehen mit diversen Veranstaltungen: Das Kinderfest in Zündorf war ein Erfolg. Am 20. September findet in der Lukaskirche ein Festgottesdienst mit Präses Nikolaus Schneider statt.

„Bring Leben ins Leben!“
Sie sind nicht zu übersehen, die Banner oder kleinformatigen Fahnen an den sechs Predigtstätten der Evangelischen Kirchengemeinde Porz. Alle machen sie aufmerksam auf einen besonderen „Geburtstag“: 2009 feiern die Evangelischen in Porz das 100-jährige Bestehen ihrer Gemeinde. „Bring Leben ins Leben!“ lautet das theologische Leitwort ihres Festjahres, das mit diversen Veranstaltungen aufwartet. Die meisten von ihnen fanden oder finden noch im September statt. So auch ein Kinderfest. Nach dem gut besuchten Familiengottesdienst in der Zündorfer Pauluskirche nutzten die Mädchen und Jungen die Großformat-Spiele im Gemeinderaum und strömten auf die Außenanlage des Zentrums in der Houdainer Straße. Dort lockten weitere Spielgeräte und andere Attraktionen. Kreativstände luden zum Basteln ein. Eine Vorleseecke war eingerichtet. Und in der kleinen Manege des Kölner Spielecircus´ ließen sich die Heranwachsenden unter den stolzen Blicken ihrer Eltern zu akrobatischen Übungen und „Experimenten“ ermutigen. Der Beifall des Publikums war ihnen gewiss.

Viele junge Menschen engagieren sich
„Dass wir im Rahmen unseres Jubiläums zusätzlich zum Gesamtgemeindefest am 20. September ein eigenes Kinderfest ausrichten, hat mit den Schwerpunkten unserer Gemeinde zu tun“, erklärt die Pfarrerin und Presbyteriumsvorsitzende Kerstin Herrenbrück. „Zu diesen gehören die Seniorenarbeit, die Kirchenmusik mit zehn Gruppen und insgesamt 150 Mitwirkenden im Alter zwischen 6 und 80 Jahren und eben die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen.“ Heranwachsenden biete die Porzer Kirchengemeinde ein „unglaublich großes, breites Angebot“. Ein solches sei in diesem Umfang im kirchlichen Raum vergleichsweise selten zu finden. Die beiden Kindertagesstätten der Gemeinde befänden sich inzwischen zwar in (der verwaltenden) Trägerschaft der Diakonie Michaelsoven e.V. „Gleichwohl liegt die inhaltliche Gestaltung der Kita-Arbeit weiterhin bei uns“, so Herrenbrück. Angesichts der vielen Jugendlichen, die auf dem Kinderfest die Stände betreuten und ehrenamtlich Dienst taten, betont die Pfarrerin: „Insgesamt ist herauszuheben, dass in unserer Kirchengemeinde die Bereitschaft seitens der jungen Gemeindeglieder sehr groß ist, mitzuhelfen und sich einzubringen.“

Signal der Gemeinde, dass sie an die Zukunft glaubt
Das gilt auch für den Pfarrbezirk Porz-Zündorf/-Langel. Mit dem 2003 eingeweihten Gemeindezentrum Pauluskirche in Zündorf endete dort die Zeit der Provisorien. Er ist mit circa 2.700 Mitgliedern der größte von sieben Pfarrbezirken der Evangelischen Kirchengemeinde Porz. Davon umfasst einer das Krankenhaus Porz und das Seniorenstift Elisa. Beim ersten Gottesdienst in der Pauluskirche attestierte der damalige Stadtsuperintendent Ernst Fey der Gemeinde eine Menge Mut und Hoffnung. In einer Zeit, in der Gotteshäuser leer blieben oder verkauft würden, sei es selten geworden, dass man eine Kirche einweihen könne. „Es besteht Bedarf für diese Kirche. Wir investieren in die Zukunft. Unsere Gemeinde setzt damit ein Signal, dass sie an ihre Zukunft glaubt“, begründete damals Pfarrer Rolf Theobold. Der Mut ist belohnt worden. Sechs Jahre später ist Theobold „fasziniert, welche Resonanz die Kirche erfahren hat“. Es sei ein Raum nicht nur für den Gottesdienst geöffnet worden, sondern für allerlei Veranstaltungen, für Konzerte, Vorträge, Ausstellungen und Feste. Insgesamt sei das Zentrum rasch angenommen worden als Raum für Begegnung, die nach Martin Buber „das wirkliche Leben“ sei.


Die Lukaskirche



Es ist ein Ruck durch das Gemeindeleben gegangen
„Der Neubau hat dem Gemeindebezirk wirklich einen Aufschwung gegeben. Es ist ein Ruck durch unser Gemeindeleben gegangen“, sagt Theobold wenige Tage vor dem sechsten „Geburtstag“ der Pauluskirche. Und er schwärmt von der Vielfalt der Talente innerhalb der Gemeinde, die bereit sind sich einzubringen. Das kann Pfarrerin Herrenbrück mit Blick auf die aktuell knapp 12.500 Mitglieder starke Gesamtgemeinde nur bestätigen. „Das Laienelement ist bei uns von großer Bedeutung. Ich bin seit elf Jahren in Porz. Unter anderem habe ich in dieser Zeit wirklich sehr kompetente Presbyterien erleben dürfen.“ Das Engagement von Gemeindegliedern sieht der frühere Presbyter und pensionierte Lehrer am Zündorfer Lessing-Gymnasium Wolf Dieter Raudsep unter pragmatischen wie demokratischen Gesichtspunkten. „In einer großen Gemeinde findet man eine breite Sachkompetenz, die es zu nutzen gilt“, macht für Raudsep dieses Einbringen und Mitmachen zu einem wesentlichen Teil „das Eigene unserer Gemeinde aus“.

Verkauf des Jahrbuchs beim Jubiläumsfest
Er selbst steht da nicht zurück. Lange Jahre im Presbyteramt, hat er sich nun in die (Vor)Geschichte der Evangelischen Kirchengemeinde Porz vertieft. Eigene Recherche und vorliegende Forschungsergebnisse komponierte Raudsep zu einem fast 80-seitigen, gut strukturierten Aufsatz. Veröffentlicht ist er im 34. Jahrbuch für Geschichte und Landeskunde „Rechtsrheinisches Köln“, herausgegeben vom „Geschichts- und Heimatverein Rechtsrheinisches Köln e.V.“. Auf dem Jubiläumsfest am 20. September rund um die Lukaskirche beginnt der Verkauf des ergiebigen Bandes. Darin erfährt man über die Anfänge des evangelischen Lebens im katholisch geprägten Porzer Rheinbogen. Über die stetig wachsende Zahl der Evangelischen, die insbesondere ab den 1870er Jahren den hier eröffneten Industriebetrieben folgten. Seit den 1880er Jahren etablierte sich in Porz, zunächst als „Nebenschauplatz“ der „Mutter“-Gemeinde Kalk, eine feste Seelsorge. 1883 wurde die Luther-Kapelle eingeweiht. 1908 registrierte man über 800 evangelische Christen im Porzer Raum. 1914, fünf Jahre nach ihrer Errichtung sowie der Einführung ihres vormaligen Pfarrvikars Ernst Mühlendyck in die Pfarrstelle, zählte die Evangelische Kirchengemeinde Porz rund 1.100 Mitglieder.

„Explosion“ nach dem Zweiten Weltkrieg
„Typisch“ findet es Raudsep, dass am Ende dieser ersten Periode des Wachstums der Bau der Lukaskirche stand. „1913 begann man den Betonbau im Jugendstil, der ganz in dem Atem der Zeit stand.“ Mit einem Gemeindesaal im Souterrain und einer geplanten Küche habe er die moderne Auffassung von Gemeindezentren vorweggenommen. Der bereits 1916, mitten im Ersten Weltkrieg, eingeweihte Gemeinderaum musste sich auch als Gottesdienstsaal bewähren. Die Kirche selbst, die bis 1966 (inoffiziell) den Namen Jesuskirche trug, wurde nämlich erst 1927 fertig. „Gerade noch rechtzeitig vor der Weltwirtschaftskrise und nächsten Inflation“, so Raudsep. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es eine weitere „Explosion“ der Mitgliederzahlen. Ab 1947 wurden Kriegsflüchtlinge und Vertriebene aus dem Osten auch in der Porzer Gemeinde angesiedelt, vor allem in Eil und Urbach. Diese Phase des Aufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg und das folgende Jahrzehnt prägte insbesondere Pfarrer Erwin Mielke, der von 1946 bis 1976 amtierte. Zwar wurde 1964 ein Teil des Gemeindegebietes in die neue Evangelische Kirchengemeinde Porz-Wahn-Heide ausgepfarrt. Trotzdem stieg die Zahl der Gemeindeglieder bis 1970 auf den Spitzenwert von 18.500. Dieser Entwicklung trug man Rechnung. 1958 wurde die Matthäuskirche (Köln-Porz-Gremberghoven), 1965 die Markuskirche (Porz-Eil) eingeweiht. 1974 kam die Johanneskirche (Porz-Westhoven), 1983 die Hoffnungskirche (Porz-Finkenberg) und schließlich 2003 die Pauluskirche hinzu.

„Es lohnt sich nicht als Kirche, sich neutral zu verhalten“
Besonders verdienstvoll ist Raudseps Beleuchtung der NS-Zeit. Denn bislang blieb die Situation und das Verhalten der Porzer Kirchengemeinde in der Periode des Nationalsozialismus´ in Publikationen weitgehend ausgeblendet. Dafür kann die „dürftige Quellenlage“ nur als ein Grund angeführt werden. Auf die Frage, welche Erkenntnisse er aus seiner Beschäftigung mit der Gemeindegeschichte ziehen könne, nennt Raudsep diese: „Was ich gelernt habe insbesondere aus der Beschäftigung mit der NS-Zeit: Es lohnt sich nicht als Kirche, sich neutral zu verhalten, sondern sie muss sich einmischen. Immer dann, wenn sich Kirche einmischt, fährt sie besser.“ So habe in Zündorf eine kleine jüdische Gemeinde existiert. Doch „das Wort ´Jude´ kommt in der Gemeindegeschichte zwischen 1933 und 1945 kein einziges Mal vor, nicht im November 1938, nicht in der Zeit der Deportationen aus Porz“. Raudsep weiter: „Da haben wir etwas aufzuholen und aufzuarbeiten.“ Dazu passt, wie Herrenbrück betont, dass die Porzer Gemeinde zum 70. Jahrestag des Novemberpogroms 1938 „seit langer Zeit wieder eine Gedenkveranstaltung durchgeführt hat. Das ist uns ein wichtiges Anliegen. Auch angesichts des Zulaufs, den rechte Parteien und Gruppierungen erhalten.“

Weitere Veranstaltungen im Festjahr
„Bislang sind unsere Festveranstaltungen sehr ordentlich angenommen worden“, findet Herrenbrück. Fortgesetzt werden sie am Samstag, 19. September, 15 bis 17 Uhr, in der Markuskirche in Porz-Eil, Martin-Luther-Straße 30, mit dem Gemeindemusiktag. Dabei kommen alle zehn musikalischen Gruppen der Gemeinde zusammen. Am Sonntag, 20. September, folgt mit dem Festgottesdienst der Höhepunkt des Jubiläums-Programms. Er beginnt um 10 Uhr in der Lukaskirche, Porz-Mitte, Mühlenstraße 2. Predigen wird Nikolaus Schneider, Präses der rheinischen Landeskirche. Die Porzer Kantorei, der Singkreis Johanneskirche und der Posaunenchor sorgen für die musikalische Ausgestaltung. Im Anschluss an den Gottesdienst startet das große gesamtgemeindliche Jubiläumsfest. An der Lukaskirche sind ein Bühnenprogramm mit Live-Musik, diverse Vergnügungen, Aktionsstände für Kinder und Präsentationen vorgesehen. Die Lukaskirche ist am Freitag, 2. Oktober, auch der Ausgangsort einer weiteren Führung mit Thomas van Nies durch Porz, „das Bergische Tor am Rhein“. Er beleuchtet unter anderem die Geschichte von Fabriken im Stadtteil, das Nebeneinander von dörflichen und städtischen Architekturen und blickt auf (über) hundert Jahre evangelisches Leben und dessen Zeugnisse in Porz. Beginn der circa zweistündigen Führung ist 16 Uhr. Die Teilnahme kostet 7 Euro, ermäßigt 5 Euro.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich